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Köpfe

Köpfe

Titel: Köpfe
Autoren: Greg Bear
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des Wolfs nach Fleisch riecht.
    Wieder nahm ich das Shuttle nach Port Yin. Ich ging jedoch nicht in Thomas’ Büro; wir hatten zwei Stunden vor meinem Aufbruch alles am Telefon geklärt, mit allen Zufälligkeiten, Winkelzügen, Rückzugsmöglichkeiten.
    Der erste Teil des Plans bestand darin, daß ich unangemeldet im Büro der Präsidentin auftauchte; niedergeschlagen und aus dem Job geworfen, vom bewährten Kurs meiner Familienälteren abweichend. Ich zerzauste mir das Haar, setzte einen mitgenommenen Gesichtsausdruck auf und betrat den Empfangsbereich der Präsidentin, um mit verhaltener Stimme um eine Audienz bei Fiona Task-Felder zu bitten.
    Der Mann am Empfang schien zu wissen, wer ich war, und bat mich, Platz zu nehmen. Offenbar sprach er weder mit Fiona, noch tippte er irgend etwas ein; ich vermute, sie wurde lediglich davon unterrichtet, daß es im Vorraum etwas Interessantes gäbe, und versteckte Kameras tasteten mich wahrscheinlich ab. Ich spielte meine Rolle mit einigem Stil, indem ich äußerst unruhig wirkte.
    Der Empfangschef wandte sich nach einer Weile wieder an mich und sagte: »Die Präsidentin hätte heute nachmittag Zeit für ein Gespräch mit Ihnen. Könnten Sie um fünfzehn Uhr wieder hier sein?«
    Ich sagte, daß ich das könnte. Ich vertrieb mir drei Stunden und kehrte zurück. Diese erste Runde des Tanzes verlief gut; die einleitenden Schritte, das Geschiebe und die Festlegung, wer die Führung übernimmt und wer folgt.
    Ich schritt durch den langen Korridor zum Allerheiligsten der Präsidentin. Die jungen Frauen schoben noch immer Akten durch den Gang. Die Wiederholung der Szene war gespenstisch genau. Sie lächelten mich an. Ich erwiderte ihr Lächeln halbherzig.
    Die Tür zum Büro der Präsidentin öffnete sich, und da saß die vor Fitneß strotzende, blauäugige ›verehrte‹ Präsidentin hinter ihrem Schreibtisch, bereit, Unterwürfigkeit entgegenzunehmen und sonst gar nichts.
    »Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte sie. »Was kann ich für Sie tun, Mr. Sandoval?«
    »Ich gehe ein großes Risiko ein«, sagte ich. »Sie müssen wissen, daß mir gekündigt worden ist… ich bin rausgeworfen worden. Trotzdem habe ich das Gefühl, daß noch Verhandlungen möglich sind…«
    »Verhandlungen zwischen wem?«
    »Mir… und Ihnen«, antwortete ich.
    »Wen repräsentieren Sie, Mr. Sandoval? Und was glauben Sie, wen ich repräsentiere? Den Rat oder meinen Multiplen Bund?«
    Ich lächelte schwach. »Das ist mir jetzt gleichgültig.«
    »Mir ist es nicht gleichgültig. Wenn Sie mit der Ratspräsidentin zu sprechen wünschen, bin ich ganz Ohr. Wenn Sie zum MB Task-Felder zu sprechen wünschen…«
    »Ich möchte mit Ihnen sprechen. Ich muß Ihnen unbedingt etwas sagen…«
    Sie verdrehte die Augen zur Decke. »Sie haben schon einmal ein großes Durcheinander angerichtet, Mr. Sandoval. Offenbar haben Sie einen hohen Preis dafür bezahlt. Familien-MBs sind Brutstätten der Vetternwirtschaft und der Inkompetenz. Haben Sie eine Vollmacht Ihres Syndikats?«
    »Nein, habe ich nicht.«
    »Dann ist es für keinen von uns gut, daß Sie hier sind.«
    »Sie haben mich schon einmal benutzt…«, setzte ich an. Echte Wut und Nervosität verliehen meiner Darstellung eine Überzeugungskraft, die ich nicht hätte vortäuschen können. »Ich versuche, mich vor unseren Syndikatsmitgliedern, unserem Direktor zu rehabilitieren und gleichzeitig Ihnen eine Chance zu geben, durch eine Information, an der Sie vielleicht interessiert sind…«
    Sie musterte mich mit einem scharfen Blick, nicht unfreundlich, wie ein Wolf, der eine überaus verdächtige Mahlzeit begutachtet. »Sind Sie bereit, eine Aussage vor dem Rat zu machen? Dort alles zu wiederholen, was Sie im Begriff sind, mir zu sagen?«
    Thomas hatte recht.
    »Ich würde es vorziehen, nicht…«
    »Ich werde Sie nicht anhören, wenn Sie nicht zu einer Aussage vor der öffentlichen Versammlung bereit sind.«
    »Bitte.«
    »Das ist meine Bedingung, Mickey. Am besten besprechen Sie sich mit Ihrem Syndikat, bevor Sie einen Schritt weitergehen.« Sie stand auf, um mich zu entlassen.
    »Nun gut«, sagte ich. »Ich überlasse es Ihrem Urteil, ob Sie wollen, daß ich aussage.«
    »Ich werde dies als freiwillige Zusammenkunft ins Protokoll aufnehmen, genau wie beim letzten Mal, als Sie hier waren.«
    »Na gut«, sagte ich und fügte mich betrübt.
    »Ich höre.«
    »Wir haben angefangen, uns Zugriff auf die Muster zu verschaffen, die Erinnerungen in den Köpfen«, sagte
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