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Königsallee

Königsallee

Titel: Königsallee
Autoren: Horst Eckert
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nicht wohl. Ihm war klar, worauf Reuter anspielte. Das Restaurant gehörte Böhr. Gerühmte Küche, üppige Weinkarte, geschultes Personal. Schauspieler und Fußballstars dinierten dort. Mitglieder der Landesregierung, Wirtschaftsbosse. Und Böhr glänzte als Gastgeber. Keine Woche ohne sein Foto in den Klatschspalten der Zeitungen.
    Da war Fingerspitzengefühl angesagt, fand Engel.
     
    Der Kripochef schaltete seine Espressomaschine ein und platzierte zwei Tassen unter den Brühkopf. Er hatte den Jungspund gebeten zu bleiben – ein Gespräch unter vier Augen.
    »So können Sie nicht mit Staatsanwälten reden, Reuter.«
    Der OK-Ermittler war noch immer aus dem Häuschen. »Artnapping mit Rückendeckung der Justiz! Ich mag’s nun mal nicht, wenn diese Verbrecher straflos …«
    »Das mag keiner«, unterbrach ihn Engel. Gib ihm noch eine Chance, dachte er. Vielleicht steckte in dem einstigen Shootingstar doch ein Kriminalist von Format. »Sie sind nicht Miles Davis, Reuter.«
    »Was meinen Sie damit?«
    Engel drückte den Hebel. Die Maschine brummte. Mit dünnem Strahl ergoss sich die schwarze Brühe in die Tassen.
    »Miles konnte mit dem Rücken zum Publikum spielen und die Leute vergötterten ihn trotzdem. Sie dagegen müssen sich das Wohlwollen der Staatsanwaltschaft erst noch erarbeiten.«
    »Ich soll Westhoff in den Hintern kriechen?«
    »Nein, aber wollen Sie in Zukunft Fahrräder kodieren oder Schulkindern die Verkehrsregeln beibringen?«
    Engel dachte an die Zeit zurück, als er selbst in Reuters Alter gewesen war – Anfang der Neunziger, vor seinem Aufstieg zum Kommissariatsleiter und dem Lehrgang zum höheren Dienst. Wie verhasst waren ihm Bürokraten und Bedenkenträger damals gewesen. Jetzt zählte ihn Reuter vermutlich ebenfalls dazu.
    »Als OK-Ermittler ist man der letzte Paria«, schimpfte der junge Kollege. »Für Westhoff zählt nur der schnelle Erfolg. Ständig zieht uns die Staatsanwaltschaft den Teppich unter den Füßen weg. Die OK-Gruppe weiß nicht einmal mehr, wem in dieser Stadt die Puffs gehören.«
    »Aber in puncto Böhr sind Sie sich sicher? Das nehme ich Ihnen nicht ganz ab. Sie haben noch immer keinen Trumpf gegen den Koksbaron in der Hand. Ehrlich gesagt, ich habe mir mehr von Ihnen versprochen.«
    Reuter wich seinem Blick aus.
    »Soll ich Ihnen verraten, wer den Rückkauf vermittelt hat?«
    »Jemand, den ich kenne?«
    Engel wusste, dass seine Antwort dem jungen Kollegen wehtun würde. Er nahm einen Schluck. Schwarz und stark war ihm der Kaffee am liebsten.
    »Ihr Bruder«, sagte Engel. »Rechtsanwalt Dr. Edgar Reuter.«
    Der Kommissar schwieg. Seine Kiefer mahlten.
    »Sie nehmen ihm noch immer übel, dass er den Koksbaron vor Gericht vertreten hat, nicht wahr?«
    Reuter blickte auf, Feuer in den Augen. »Edgar arbeitet für die andere Seite.«
    Engel dachte an Andermatt, den vermutlich kommenden Innenminister, dem es zu beweisen galt, dass die Düsseldorfer Kripo trotz der Panne mit Böhr etwas taugte. »Und wir hatten doch diesen Telefonmitschnitt, auf dem der Koksbaron unzweifelhaft einen Drogenkauf verabredete.«
    »Ja, aber die Kollegen vom OK konnten dem Gericht die Datenträger nicht lückenlos vorlegen.«
    »Ich weiß. Wie war noch mal das Argument, das Ihr Bruder vorbrachte?«
    »Er meinte, sein Mandant hätte den Handel bei einem der übrigen Telefonate, die wir nicht dokumentieren konnten, wieder abgesagt. Und der Richter ließ sich darauf ein. Freispruch mangels Beweisen.«
    »Ihr Bruder ist eben ein erstklassiger Strafverteidiger.«
    »Dass jetzt ausgerechnet Edgar den Rückkauf vermittelt hat, kann kein Zufall sein. Wenn Sie an Böhrs Stelle wären, an wen würden Sie sich wenden, um das Bild zu versilbern, nach dem die Polizei fahndet? An den Anwalt Ihres Vertrauens.«
    »Beweise wären nicht schlecht.« Engel überlegte, dass ein später Erfolg gegen die Artnapper bei Andermatt Eindruck machen würde. Nebenher könnte er dem Chef der Staatsanwaltschaft eins auswischen.
    Dazu konnte er einen ehrgeizigen Spürhund wie Reuter gebrauchen.
    »Graben Sie weiter«, sagte Engel und leerte die Tasse. »Bleiben Sie dran an dieser Gemäldenummer und halten Sie mich auf dem Laufenden.«
    Reuter schien zu begreifen.
    Engel verabschiedete ihn mit Handschlag und nahm sich vor, Reuter den schwarzen Peter zu verpassen, falls die Staatsanwaltschaft von der Sache Wind bekommen und Protest einlegen sollte.
5.
    Jan Reuter nahm die Treppe zur zweiten Etage. Der Flur, der an den Büros der
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