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Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Titel: Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
Autoren: Hunter S. Thompson
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Sekundenbruchteile erhellt, bevor der Donner zu hören ist – in Echtzeit wahrscheinlich nicht länger als ein paar Zeptosekunden –, aber wenn du ein neunjähriger Junge bist und zwei (2) ausgewachsene FBI-Agenten vor dir hast, die sich anschicken, dich festzunehmen und in ein Bundesgefängnis zu sperren, dann können dir ein paar lautlose Zeptosekunden vorkommen wie der Rest deines Lebens … Und genau so fühlte es sich an jenem Tag für mich an, und in bitterem Rückblick muss ich sagen: Es stimmte. Sie hatten mich am Wickel, auf frischer Tat ertappt. Ich war schuldig . Wozu noch leugnen? Gestehe alles ein, jetzt , und liefere dich ihnen aus, hoffe auf ihre Gnade, oder –
    Oder was? Was wäre, wenn ich nicht gestand? Eine interessante Frage. Und ich war ein neugieriger Bengel. Also beschloss ich das Ruder selbst in die Hand zu nehmen und ihnen eine Frage zu stellen.
    »Wer?«, sagte ich. »Welche Zeugen?«
    An sich keine so ungewöhnliche Frage unter diesen Umständen  – und es hätte mich auch wirklich interessiert zu erfahren,
wer von meinen besten Freunden und Blutsbrüdern bei den gefürchteten Hawks A. C. unter dem Druck nachgegeben hatte und mich an diese Schlägertypen verraten hatte, diese aufgeblasenen Brutalos und Speichellecker mit ihren Dienstmarken und Plastikkarten in den Brieftaschen, die verkündeten, dass sie für J. Edgar Hoover arbeiteten und das Recht, ja sogar die Pflicht hatten, mich ins Gefängnis zu stecken, weil »in der Nachbarschaft ein Gerücht kursierte«, dass ein paar von meinen Jungs Muffensausen bekommen und mich verpfiffen hätten. Was ? Nein. Unmöglich.
    Oder zumindest unwahrscheinlich . Scheiße, niemand verpfiff die Hawks A.C., und schon gar nicht deren Präsidenten. Schon gar nicht MICH. Also fragte ich noch mal: »Zeugen? Welche Zeugen?«
     
     
    Und damit war die Sache gelaufen, soweit ich mich erinnere. Wir schwiegen alle einen Augenblick einträchtig, wie mein alter Freund Edward Bennett Williams sagen würde. Niemand sprach – am allerwenigsten ich –, und als mein Vater das unheimliche Schweigen durchbrach, schwang Zweifel in seiner Stimme mit. »Ich glaube, mein Sohn hat da irgendwie Recht, Officer. Mit wem genau haben Sie denn eigentlich gesprochen? Das wollte ich auch gerade fragen.«
    »Bestimmt nicht Duke !«, rief ich. »Der ist mit seinem Vater nach Lexington gefahren! Und Ching auch nicht! Und auch nicht Jay ! –«
    »Halt die Klappe«, sagte mein Vater. »Sei still, blöder Bengel, und lass mich das hier regeln.«
    Und so geschah es denn auch , Leute. Diese FBI-Agenten tauchten nie wieder auf. Nie wieder. Und mir wurde eine äußerst wichtige Lektion zuteil: Glaub nie auch nur das Geringste, was ein FBI-Agent dir zu irgendeinem Sachverhalt mitteilt – besonders dann nicht, wenn er zu glauben scheint, dass du dich eines
Verbrechens schuldig gemacht hast. Es kann gut sein, dass er keine Beweise hat. Vielleicht blufft er. Vielleicht bist du wirklich unschuldig. Vielleicht. Paragraphen erweisen sich immer wieder als dehnbar … Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert.
    (HST Archiv)
    Wie dem auch sei, wegen des Vorfalls wurde nie jemand festgenommen. Die FBI-Agenten verschwanden, der US-Briefkasten wurde wieder auf seine schweren Eisenfüße gestellt, und das besoffene Schwein von Ersatzbusfahrer haben wir nie wieder gesehen.

Würdest du es wieder tun?
    Diese Story hat keine Moral – zumindest nicht für clevere Menschen  –, aber ich zog daraus dennoch viele nützliche Lehren, die mein Leben auf schicksalhafte Weise prägten. Unter anderem half sie mir, den Unterschied zwischen Moral und Weisheit zu erkennen. Moral unterliegt der Zeit, Weisheit ist dauerhaft … Ho ho. Darüber solltet ihr eine Nacht lang schlafen.
    Aus der Sache mit dem umgestürzten Briefkasten nahm ich zum Beispiel die Erkenntnis mit, dass das FBI keineswegs unschlagbar war, und das ist für einen Neunjährigen in Amerika eine sehr wichtige Lektion. Ohne sie wäre ich heute ein völlig anderer Mensch. Ich würde nicht auf diese Weise mit euch reden und auch nicht frühmorgens um 4 Uhr 23 vor dieser gottverdammten Schreibmaschine sitzen, ein leeres Glas neben mir, eine nicht angezündete Zigarette zwischen den Lippen und auf dem Fernsehschirm eine nackte Frau, die »Porgy & Bess« singt.
    Drüben an einer Wand sehe ich die zweieinhalb Meter lange Holzfällersäge mit zwei Griffen, zweihundert großen Sägezähnen und der Aufschrift GESTÄNDNISSE DES GEILSTEN HINTERNS DER
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