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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
Autoren: Bernhard Hennen
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habt mich einen Lügner gescholten. Ich verurteile Euch hiermit dazu, mir eine Nacht lang zuzuhören. Ihr werdet erfahren, warum ein jeder Dreikönigspilger sich zum Spießgesellen gottloser Halunken macht.«
    Hartmann starrte den Alten an. Ihn mit einer Geschichte bestrafen! Er hatte in seinem Leben schon viele Arten von Strafen erduldet, doch solch eine noch nie. Der Vermummte mochte ein Scherge des Teufels sein, ein gottloser Geselle, aber man konnte ihm nicht vorwerfen, langweilig zu sein.
    Knirschend zerbrach ein glühendes Holzscheit, und Funken, hell wie Sterne am Winterhimmel, stiegen in den dunklen Schlot empor. »Seid Ihr bereit, Eure Strafe anzunehmen?«, fragte der Alte gefährlich leise.
    Hartmann griff nach dem Becher mit dem dunklen Bier, den er neben sich auf den Boden gestellt hatte, und drehte ihn unschlüssig zwischen den Fingern. »Nun?«
    Der junge Ritter zwang sich zu einem Lächeln. »Ich füge mich in mein Schicksal.«
    Eine Stichflamme schoss aus einem der halb verglühten Holzscheite. Für einen Herzschlag lang konnte Hartmann überdeutlich die Augen hinter der Maske sehen. Kalte, lauernde Augen. Ein Schauder überlief den Spielmann. Hatte er sich am Ende gar auf ein Spiel mit dem Leibhaftigen selbst eingelassen?
    Ingerimm atmete schwer. »So sei es! Ich versichere Euch, alles, was man über mich erzählt, ist wahr. Ja, ich bin in die
Hölle gefahren und habe den Satan geschaut. Und deshalb trage ich meine Maske. Mein Antlitz ist das Antlitz des Teufels … auf eine gewisse Weise jedenfalls.« Der Hausherr schwieg einen Moment lang und starrte Hartmann an, als wolle er die Wirkung seiner Worte von dessen Gesicht ablesen.
    »Wie Ihr vielleicht schon geahnt habt«, fuhr er schließlich fort, »ist es die Geschichte jenes jungen Ritters, an den Ihr mich erinnert. Obwohl … wenn man es genau nimmt, ist es eher die Geschichte von vier Rittern, deren Geschicke das Schicksal untrennbar miteinander verwoben hatte.« Ingerimm räusperte sich leise. Sein Blick war nun auf den Kamin gerichtet, so als läge die Vergangenheit, auf die er sich besinnen wollte, dicht hinter dem Schleier aus roter Glut …

ROTHER
    »Es begab sich in jenem Jahr, in dem sich die lombardischen Städte gegen den Kaiser empörten, dass die Gesandten Friedrichs in aller Eile Mailand verließen, weil sie dort um ihr Leben fürchten mussten. Nur einer schaffte es nicht mehr zu entweichen, bevor der Pöbel die Tore besetzte. Es war jener, den die Lombarden später den Henker des Rotbart nennen würden und dem es bestimmt war, als Kanzler des Reiches auch über die Geschicke der italischen Untertanen zu gebieten, Rainald von Dassel, Erzbischof zu Cöln. An jenem Tag jedoch verbarg er sich, das Herz voller Furcht, bei einem der wenigen Getreuen, die dem Kaiser in Mailand noch verblieben waren. Erst am nächsten Morgen vermochte er, gekleidet wie ein Weib, den Häschern an den Stadttoren zu entgehen. Dies war der Tag, an dem im Erzbischof jener unnachgiebige, alles verschlingende Zorn gegen die Mailänder begründet wurde.
    Es sollte nicht lange dauern, bis die Lombarden erfahren mussten, was es hieß, einen Günstling unseres Kaisers zum Feinde zu haben. Friedrich zog mit großer Heeresmacht gen Italien. Dort fand er seine Feinde wohlverschanzt, und als der Krieg keine Fortschritte machen wollte, bat er die Fürsten des Reiches, ihm zu Hilfe zu eilen. So rief denn nun der Erzbischof Rainald von Dassel sein Kriegsvolk zu den Waffen. Es war das Jahr des Herrn 1161 … Ein gutes Jahr, das im Moseltal einen starken Wein hervorbringen sollte und in Italien zwei Päpste, die einander spinnefeind waren. Es war zugleich das Jahr, in dem die Geschichte jener vier Ritter begann, von denen einer Euch im Wesen so glich, als wäret ihr beide vom Leibe einer Mutter geboren.«

1

    Rother gab seiner Stute die Sporen und preschte den Weg zur Hügelkuppe hinauf. Jeder Schritt nach Süden brachte den Heerzug des Erzbischofs von Cöln weiter dem Frühling entgegen. Die mehr als eine Meile lange Kolonne aus Reitern und Tross war in den Hügeln hinter Rother verschwunden.
    Er war jung und verschwendete keinen Gedanken daran, dass er mitten in Feindesland womöglich gerade seinem Tod entgegenritt. Über ihm wölbten sich die Äste weiß blühender Apfelbäume in spitzem Bogen wie die Decke einer Kathedrale, von Gottes eigener Hand gestaltet. Ein Windstoß ließ Blütenblätter gleich tanzenden Schneeflocken durch die Luft wirbeln. Einen Moment lang
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