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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
Autoren: Bernhard Hennen
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Botenreiter … Wir sollten sehen, dass wir von hier fortkommen.«
     
    Rother war es so schwindelig, dass Heinrich ihm in den Sattel helfen musste. Er schämte sich für seine Schwäche. Seit Beginn der Reise hatten die anderen Knappen ihn wegen seiner geringen Größe verspottet und ihn stets die schmutzigsten Arbeiten erledigen lassen. Wenn sich auch noch herumsprach, wie er sich beim Anblick des ersten Toten dieses Feldzuges angestellt hatte, würde man ihn womöglich zurück an den Hof seines Vaters schicken. Diese Schande würde ein Leben lang an ihm haften!
    In den Liedern der Spielleute hatte der Krieg ein anderes Gesicht gehabt; nie war da einem Recken übel geworden. Verzweifelt blickte Rother zum Himmel, über den behäbige weiße Wolkentürme trieben. Der Waffenmeister seines Vaters hatte ihn in dem Gebrauch von Schwert und Lanze unterwiesen und ihm beigebracht, wie man einen Gegner vom Pferd stieß. Doch wie besiegte man sich selbst?
    Ein Pfeil schlug neben ihm gegen die Hauswand und zersplitterte. Rother fühlte sich seltsam entrückt. Die Zeit schien langsamer zu fließen, so wie während der endlosen Predigten des Hauspfaffen in der Kapelle seines Vaters.
    Seine drei Gefährten reagierten wortlos. Sie ließen die Schilde an den breiten Lederriemen von der Schulter rutschen
und griffen nach den schweren Helmen, die von ihren Sätteln hingen. Er sollte auch etwas tun, dachte Rother, und vermochte doch nur gebannt zuzuschauen.
    Anno hob seinen wuchtigen Helm mit dem gewölbten Gesichtsschutz über den Kopf, als ein Pfeil ihn ihm aus den Händen riss. Der Ritter fluchte wie ein Maultiertreiber und deutete auf die Hügelkuppe, hinter der irgendwo, Meilen entfernt, die Reiterkolonne des Erzbischofs nahte. Eine Gruppe von Bogenschützen und Speerträgern stand zwischen ihnen und dem Heer des Erzbischofs.
    Scharfer Schmerz brannte auf Rothers Wange. Die Welt veränderte sich, war ihm gerade noch alles entfernt wie in einem Traum erschienen, so schlug nun die Wirklichkeit über ihm zusammen. Lärm brandete auf ihn ein. »Auf den Gaul mit dir, Junge! Nimm die Zügel!«, schrie Heinrich ihn an. Er gehorchte.
    Dann tastete er über seine Wange. Warmes Blut rann hinab. Zwei Finger breit, und der Pfeil wäre in sein Auge geschlagen. Zwei Finger zwischen Leben und Tod.
    Anno führte ihre Gruppe um die Scheune herum und dann seitlich auf den Weinberg. Die Rebstöcke gaben ihnen ein wenig Deckung. Auf diesem Wege mochten sie in einem weiten Bogen zur Hauptkolonne zurückgelangen. Rothers Magen schmerzte, als habe sich dort ein Igel eingenistet, um ihn mit seinen tausend Stacheln zu peinigen. Die vier Reiter fächerten aus. Binnen weniger Augenblicke waren sie außerhalb der Reichweite der Schützen.
    Rother sah, wie die Bogenschützen ihre Waffen senkten. Ein mulmiges Gefühl überkam ihn. Wie ein gaffender Trottel hatte er bei der Scheune gestanden. Nie wieder würden ihn die drei Ritter mitnehmen. Ihn an seiner Seite zu
haben, war eine Gefahr. Er war … Mit schrillem Wiehern bäumte sich seine Stute auf. Seine Finger krallten sich ins Zaumzeug. Wild mit den Flügeln schlagend, stieß vor ihnen ein Rebhuhn in den Himmel empor. Erschrocken brach die Stute zur Seite aus. Rother zerrte an den Zügeln, doch die Stute gehorchte ihm nicht mehr. Voller Panik stürmte sie fort von dem Vogel den Hang hinauf, auf den Bogenschützen zu. Weinranken peitschten dem Jungen gegen die Beine. Schon konnte Rother undeutlich die Gesichter der Lombarden sehen. Sie waren dunkel von der Sonne. Weiß blitzten ihre Zähne. Die Männer lachten!
    Ein Schattenstrich zischte an Rothers Gesicht vorbei. Der Knappe duckte sich flach über die Mähne seiner Stute. Seinen Schild hielt er leicht schräg, damit die Pfeile besser abgleiten konnten. Wie schillernde, zu groß geratene Libellen sirrten die bunt gefiederten Geschosse um ihn herum. Hinter sich hörte Rother seine Gefährten rufen. Er blickte über die Schulter und sah, wie Heinrich ihm folgte. Einen Herzschlag später wendeten auch die anderen beiden ihre Rosse. Rother hätte heulen mögen vor Wut! Weil er seine Stute nicht zügeln konnte, brachte er die drei in tödliche Gefahr.
    Dumpf knirschend schlug ein Pfeil in seinen Schild. Nur zwei Fingerbreit über seinem Arm hatte die Spitze das Holz durchbohrt. Wie ein eiserner Fangzahn sah sie aus, geschaffen, ihm das Leben aus seinem Leib zu reißen. Die Zügel entglitten Rothers zitternden Händen. Er krallte sich mit der Rechten in die
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