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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
Autoren: Bernhard Hennen
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gefärbte Gewänder konnten sich im Altertum nur die wohlhabendsten Persönlichkeiten leisten.
    So bleibt als Fazit, dass man über die Gebeine im Dreikönigsreliquiar lediglich mit einiger Sicherheit sagen kann, dass sie tatsächlich ein sehr hohes Alter haben. Hier nun setzen die Spekulationen des Romans an. Es scheint nicht unmöglich, dass die fromme Kaiserin Helena mehr als nur eine Reise nach Palästina unternommen hat, um dort die biblischen Stätten zu besuchen. So ließe sich erklären, warum Eusebius die Auffindung der Gebeine nicht erwähnt. (Möglicherweise geschah dies allerdings auch deshalb, weil die Reliquien schon zu Zeiten Helenas umstritten waren.) Während Helena überall im Kaiserreich Kirchen gründete, um das gerade zur Staatsreligion erhobene Christentum
zu festigen, ließ ihr Sohn Konstantin zahllose alte Festungen entlang der Grenzen des römischen Imperiums erneuern. Möglicherweise wurde dabei auch die Festung Herodeion, die nur wenige Kilometer von Bethlehem entfernt liegt, wieder in einen verteidigungsbereiten Zustand versetzt. Laut dem antiken Historiker Flavius Josephus wurden in einer verborgenen unterirdischen Kammer dieser Festung die sterblichen Überreste Herodes des Großen beigesetzt. Anschließend wurde das Grab vermauert, um es unauffindbar zu machen.
    Bei modernen Ausgrabungen unter der Leitung des Franziskanerordens konnte das Herodesgrab bislang nicht wiederentdeckt werden. Dennoch wäre es möglich, dass man die Grabkammer bei der Erneuerung der Festung schon vor Jahrhunderten fand. Denkbar wäre auch, dass die frühen Christen der Epoche Konstantins ein königliches Grab nahe Bethlehem mit den Heiligen Drei Königen in Verbindung gebracht haben. Bedenkt man außerdem, dass Herodes zehn Ehen geschlossen hat und eine Vielzahl von Kindern zeugte, so erscheint es auch nicht unwahrscheinlich, dass in einer so sicheren Grabkammer nicht nur er, sondern auch andere Familienmitglieder bestattet wurden.
    Fluchtafeln wie jene, die im Roman im Mund des Herodes gefunden wird, waren in der Antike verbreitet. Auch wenn Herodes zur Zeit der Geburt Christi schon mehrere Jahre tot war und folglich keinen Kindermord in Bethlehem befohlen haben kann, war er ein alles andere als beliebter König. So ließ er noch kurz vor seinem eigenen Tod seinen Sohn Antipater hinrichten und befahl, im Hippodrom von Jericho 15 000 Judäer gefangen zu setzen, die am Tage seines Todes getötet werden sollten, damit jeder im Lande einen
Grund zu weinen habe, wenn er starb. Wen würde es also wundern, wenn man einen solchen König mit Flüchen in sein Grab schickte?
    Viele Feinde hatte auch Rainald von Dassel, der sich 1164 auf seiner Rückreise aus Italien tatsächlich verkleiden und abseits der großen Straßen bewegen musste, um nach Köln zu gelangen. Zu seinen Gegnern gehörte Konrad, der Bruder des Kaisers, dessen Eid, den Mailänder Konsuln freies Geleit zu geben, Rainald ausnutzte, um die Gesandtschaft gefangen zu nehmen. Historisch ist auch der Streit, zu dem es daraufhin zwischen Konrad und Friedrich kam. Tatsächlich verweigerte der eigene Bruder dem Stauferkaiser die Gefolgschaft, und bei den Kämpfen um das Kloster Bagnole, das Friedrich nur mit geringen Entsatztruppen bestürmte, wurde der Kaiser verwundet. Ja, der erzürnte Konrad versuchte sogar, Rainald von Dassel zu erschlagen, als dieser ins kaiserliche Heerlager zurückkehrte. 1164 unternahm Konrad noch einen zweiten Versuch, des Erzbischofs habhaft zu werden. Er zog mit einem Heer gen Köln, musste aber der Übermacht der Kölner Ritterschaft weichen.
    Aus heutiger Sicht ungewöhnlich erscheint auch, dass der Erzbischof in den Quellen, welche die Ankunft der Heiligen Drei Könige in Köln beschreiben, mit keinem Wort erwähnt wird. Hier ist lediglich von seinem Stellvertreter und späteren Nachfolger Philipp von Heinsberg die Rede. Sollte der so sehr in die weltliche Machtpolitik des Kaisers verstrickte Erzbischof, der zu diesem Zeitpunkt nicht einmal seine Priesterweihe empfangen hatte, womöglich ein göttliches Strafgericht für seinen Frevel, wissentlich falsche Reliquien in die Domstadt zu bringen, befürchtet haben? Oder
war er wirklich schon wieder im Dienste seines Kaisers unterwegs und verzichtete deshalb auf einen triumphalen Einzug in Köln? Eine Frage, die wohl ebenso wenig zu beantworten sein wird wie die Frage danach, wessen Gebeine nun tatsächlich im Dreikönigsreliquiar des Doms zu Köln ruhen.

NACHTRAG
    Anfang Mai 2007
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