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Knochenpfade

Knochenpfade

Titel: Knochenpfade
Autoren: Alex Kava
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einem Foto sah man eine Ansammlung von merkwürdigen mit Plastikfolie umwickelten Päckchen, die jemand in einen großen Fischkühler gestopft hatte. Die Detailaufnahmen zeigten die einzelnen Objekte, jedes auf dem Betonfußboden eines Auffangraums aufgereiht. Was sie durch die Plastikfolie erkennen konnte, sah nicht aus wie Teile eines menschlichen Körpers, sondern eher wie Fleischstücke aus der Schlachterei.
    Sie fragte Wurth, ob sie mit dem Auspacken der Päckchen bis zu ihrer Ankunft warten könnten. Er sagte ihr, dafür sei es wahrscheinlich schon zu spät.
    “Das bezweifle ich, Wurth. Selbst bei der Polizei siegt die Neugier.” Aber dann fügte er hinzu: “Ich werde sehen, was ich tun kann.”
    Jetzt saß Maggie im Schneidersitz auf dem Boden mitten in ihrem Wohnzimmer, zur einen Seite Fotos vor sich ausgebreitet, auf der anderen Seite schlief Harvey. Sein riesiger Kopf lag auf ihrem Schoß, den er vollständig ausfüllte. Sie hatte den Wetterkanal im Fernsehen eingestellt. Anfangs lief das Programm lediglich als Hintergrundrauschen. Aber dann erregte die Berichterstattung mehr und mehr ihre Aufmerksamkeit. Sie erfuhr so einiges über Hurrikans. Manches könnte sich vielleicht im Lauf der folgenden Woche als nützlich erweisen.
    Maggie fand es sehr interessant, dass die Saffir-Simpson-Hurrikanskala nicht nur die Geschwindigkeit der anhaltenden Winde berücksichtigte, sondern auch den Schaden, den diese anrichten konnten. Ein Sturm der Kategorie 3 mit einer Windstärke von 178 bis 210 Kilometern pro Stunde war in der Lage, “umfassenden” Schaden anzurichten, also etwa kleine Gebäude zu zerstören, große Bäume umzuknicken und Überflutungen in Küstennähe zu verursachen. Der Schaden eines Sturms der vierten Kategorie bei einer Geschwindigkeit von 211 bis 249 Stundenkilometern wurde schon als “verheerend” bezeichnet und die Verwüstung von Stürmen der Kategorie 5 mit mehr als 250 Stundenkilometern als “katastrophal”.
    Stürme mit einer Windgeschwindigkeit von mehr als 250 Kilometern pro Stunde konnte Maggie sich kaum vorstellen. Aber die Verwüstungen schon eher.
    Hurrikan Isaac hatte bereits sechzig Menschen jenseits der Karibischen See auf dem Gewissen. Inzwischen, nach nur wenigen Stunden, war er offiziell in die Kategorie 5 eingeordnet worden. Der Sturm wurde in Kürze mit einer Windgeschwindigkeit von 260 Stundenkilometern auf Grand Cayman erwartet. Eine Million Kubaner sollten bereits evakuiert worden sein. Man erwartete die Ankunft des Monsters am Sonntag. Auf seinem Weg Richtung Westnordwest mit nur sechzehn Stundenkilometern würde der Hurrikan am Montag im Golf von Mexiko ankommen.
    Egal, welcher Pfad in den vergangenen Stunden für den Sturm berechnet worden war, Pensacola in Florida lag immer genau in der Mitte. Es war kein Scherz gewesen, als Charlie Wurth ankündigte, sie würden sich direkt ins Auge des Hurrikans begeben. Natürlich gab es deshalb auch keine Flüge mehr nach Pensacola. Morgen früh würde sie nach Atlanta fliegen, wo Charlie sie abholte. Von dort mussten sie mit dem Auto fünf Stunden bis zum “Panhandle” im Nordwesten Floridas fahren. Als sie wissen wollte, was er in Atlanta tat – schließlich wohnte er in New Orleans und sein Büro befand sich in Washington, D.C. –, sagte er einfach nur: “Frag mich nicht.”
    Wurth hatte sich immer noch nicht den strengen Verhaltensregeln eines höheren Angestellten der Bundesregierung angepasst. Ihm war die Stelle des Vizechefs des Heimatschutzministeriums angeboten worden, weil er mit seiner Aufdeckung von Korruption und Verschwendung von Staatsgeldern nach dem Hurrikan Katrina die richtigen Leute beeindruckt hatte. Aber er würde sich – genau wie Maggie – wohl nie an die Bürokratie gewöhnen, die zu seinem Job gehörte.
    Maggie war klar, dass sie eigentlich packen sollte. Es stand immer eine Reisetasche mit dem Notwendigsten bereit. Sie müsste nur noch den Rest dazulegen. Aber was brauchte man denn bei einem Hurrikan? Strapazierfähige Schuhe zweifellos. Ihre Freundin Gwen Patterson warf Maggie ständig vor, sie wisse gutes Schuhwerk nicht richtig zu würdigen.
    Sie sah auf die Uhr. Eigentlich müsste sie Gwen anrufen. Aber das würde sie lieber später erledigen. Der Vorfall mit dem Killer heute beschäftigte sie zu sehr. Der Schock saß ihr noch im Nacken. Ihre Freundin, die Psychologin, würde natürlich sofort an ihrer Stimme hören, was los war. Kein nervöses Atemholen oder zu langes Abwägen von Worten
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