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Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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Stiefel an, Schwester, und dann gehen wir hinüber.«
    Zehn Minuten später waren wir alle wieder in der alten Kirche versammelt. Das Wetter hatte sich nicht gebessert, es war höchstens noch kälter und feuchter als am Vormittag. Der Wind heulte noch immer. Die Zweige kratzten wie zuvor.
    Von Father Ménard und mir gestützt, tapste Schwester Bernard durch die Kirche. Durch die vielen Kleiderschichten hindurch fühlte sie sich zerbrechlich und federleicht an.
    Die Schwestern folgten uns, aufgeregt schnatternd in ihrer Rolle als Zaungäste, Schwester Julienne mit gezücktem Stenoblock und Stift. Guy bildete das Schlußlicht.
    Vor einer Nische in der südöstlichen Ecke blieb Schwester Bernard stehen. Sie hatte sich eine hellgrüne, unter dem Kinn geknüpfte Strickhaube über den Schleier gezogen. Wir sahen zu, wie sie den Kopf hin und her drehte, sich orientierte, nach Hinweisen suchte. Alle Augen waren auf den einen Klecks Farbe in dem düsteren Kircheninneren gerichtet.
    Ich bedeutete Guy, einen Strahler neu auszurichten. Schwester Bernard achtete nicht darauf. Nach einer Weile trat sie ein Stück von der Wand zurück. Kopf nach links, Kopf nach rechts, Kopf nach links. Nach oben. Nach unten. Sie kontrollierte noch einmal ihre Position und zog dann mit dem Absatz eine Linie in die Erde. Oder versuchte es zumindest.
    »Hier ist sie.« Die schrille Stimme hallte von den Wänden wider.
    »Sind Sie sicher?«
    »Hier ist sie.« An Selbstvertrauen mangelte es Schwester Bernard nicht.
    Wir alle starrten die Markierung an, die sie gezogen hatte.
    »Sie liegen in kleinen Särgen. Keine normalen. Es waren ja nur noch Knochen, deshalb hat alles in kleine Särge gepaßt.« Sie streckte die Arme aus, um die Größe eines Kindersargs anzudeuten. Ihre Hände zitterten. Guy richtete den Strahler auf die Stelle zu ihren Füßen.
    Father Ménard dankte der uralten Ordensfrau und bat zwei der Nonnen, sie in den Konvent zurückzubringen. Ich sah ihnen nach. Schwester Bernard wirkte wie ein Kind zwischen den beiden, so klein, daß der Saum ihres Mantels durch den Staub schleifte.
    Ich bat Guy, den zweiten Strahler an die neue Stelle zu bringen. Dann holte ich meine Sonde von unserer ersten Ausgrabungsstätte, plazierte die Spitze an der Stelle, die Schwester Bernard markiert hatte, und drückte auf den T-förmigen Griff. Nichts bewegte sich. Diese Stelle war offenbar weniger aufgetaut. Ich benutzte eine Rohrsonde, um im Untergrund nichts zu beschädigen, und die abgerundete Spitze konnte die teilweise gefrorene obere Schicht kaum durchdringen. Ich versuchte es noch einmal, diesmal mit mehr Kraft.
    Immer mit der Ruhe, Brennan. Es gefällt ihnen bestimmt nicht, wenn du eine Namenstafel auf dem Sarg zertrümmerst. Oder der guten Schwester ein Loch in den Schädel bohrst.
    Ich zog meine Handschuhe aus, legte die Finger fest um den Griff und drückte noch einmal. Diesmal durchbrach ich die Oberfläche und spürte, wie die Sonde durch das Erdreich drang. Ich mußte mich beherrschen, um nicht in Hast zu verfallen. Mit geschlossenen Augen sondierte ich das Erdreich, tastete nach Unterschieden in der Dichte. Weniger Widerstand konnte einen Hohlraum bedeuten, wo etwas verfault war. Mehr Widerstand konnte bedeuten, daß sich ein Knochen oder ein Artefakt im Erdreich befand. Nichts. Ich zog die Sonde heraus und wiederholte den Vorgang an anderer Stelle.
    Beim dritten Versuch spürte ich Widerstand. Ich zog den Stab heraus und stieß ihn fünfzehn Zentimeter daneben wieder in die Erde. Dasselbe. Knapp unter der Oberfläche war etwas Festes.
    Ich zeigte dem Priester und den Nonnen den erhobenen Daumen und bat Guy, das Sieb zu bringen. Dann legte ich die Sonde weg, nahm einen Spaten und begann, dünne Schichten Erde abzutragen. Ich schälte das Erdreich Zentimeter um Zentimeter ab und warf es durch das Sieb, wobei mein Blick zwischen Schaufelfüllung und Grube hin- und herwanderte. Nach dreißig Minuten sah ich, wonach ich gesucht hatte. Die letzten Häufchen auf dem Spaten waren dunkel, schwarz im Gegensatz zur rötlichbraunen Erde unter dem Sieb.
    Ich wechselte vom Spaten zur Kelle, bückte mich in die Grube, schabte behutsam über den Boden und entfernte lose Partikel, um die Oberfläche zu glätten. Fast sofort wurde ein dunkles Oval sichtbar. Der Fleck schien etwa einen Meter lang zu sein. Die Breite konnte ich nur schätzen, da er noch halb unter Erde verborgen war.
    »Hier ist etwas«, sagte ich und richtete mich auf.
    Priester und Nonnen
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