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Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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in Charlotte, sechsunddreißig Prüfungshefte rechts von mir und siebenunddreißig auf dem Tischchen vor mir. Der Himmel war von einem Carolina-Blau, der Garten ein saftiges, üppiges Grün. In einem nahen Magnolienstrauch trällerte eine Spottdrossel, als wollte sie einen Rekord brechen.
    »Eine hervorragend durchschnittliche Leistung«, murmelte ich, schrieb eine 3+ auf den blauen Umschlag und umkringelte die Note ein paarmal. Birdie sah hoch, streckte sich und sprang von der Liege.
    Mein Knie heilte gut. Der kleine Haarriß war nichts im Vergleich zu den Verletzungen an meiner Psyche. Nach dem Horror in Ange Gardien hatte ich noch zwei Tage in Quebec verbracht, war aber vor jedem Schatten und jedem Geräusch zurückgeschreckt, vor allem vor bellenden Hunden. Meine Tage füllte ich mit pausenloser Geschäftigkeit, aber die Nächte waren schwierig, weil mich die Ereignisse jener Nacht in Ange Gardien einfach nicht losließen. In einigen Nächten schlief ich bei Licht.
    Das Telefon klingelte, und ich griff nach dem Hörer. Es war der Anruf, den ich erwartete.
    »Bonjour, Docteur Brennan. Comment ça va?«
    »Ça va bien, Schwester Julienne. Aber was viel wichtiger ist, wie geht es Anna?«
    »Ich glaube, die Medikamente helfen ihr.« Sie senkte die Stimme. »Ich habe keine Ahnung von bipolaren Störungen, aber der Arzt hat mir eine Menge Material gegeben, und ich beschäftige mich viel damit. Eigentlich habe ich ihre Depressionen nie verstanden. Ich dachte, Anna wäre nur launisch, weil ihre Mutter es so nannte. Manchmal war sie niedergeschlagen, dann wieder voller Energie und Lebensfreude. Ich wußte nicht, daß das, wie nennt man das gleich wieder…?«
    »Eine manische Phase war?«
    »C’est ça. Es ging einfach immer so schnell auf und ab bei ihr.«
    »Ich bin sehr froh, daß es ihr besser geht.«
    »Ja, Gott sei’s gedankt. Professor Jeannottes Tod hat sie schwer getroffen. Bitte, Dr. Brennan, um Annas willen muß ich wissen, was mit dieser Frau passiert ist.«
    Ich atmete tief durch. Was sollte ich sagen?
    »Professor Jeannottes Probleme hatten ihren Ursprung in der Liebe zu ihrem Bruder. Daniel Jeannotte hat sein ganzes Leben lang einen Kult nach dem anderen organisiert. Daisy war überzeugt davon, daß er die besten Absichten hatte und vom Mainstream der Gesellschaft völlig zu Unrecht verachtet wurde. Ihre akademische Karriere in Amerika endete in einem Skandal, weil Eltern sich bei ihrer Universität darüber beschwerten, daß sie ihre Studenten in Daniels Konferenzen und Workshops lotse. Sie gab ihren Lehrstuhl auf, um zu forschen und zu schreiben, und tauchte schließlich in Kanada wieder auf. Ihren Bruder unterstützte sie weiter.
    Als Daniel sich mit Elle zusammentat, wurde Daisy mißtrauisch. Sie hielt Elle für eine Psychopathin, und es entwickelte sich ein Kampf zwischen den beiden Frauen um Daniels Zuneigung. Daisy wollte ihren Bruder beschützen, aber sie hatte Angst, daß es zu einer Katastrophe kommen könnte.
    Jeannotte wußte, daß Daniels und Elles Gruppe auf dem Campus aktiv war, und als Anna mit der Gruppe in Kontakt kam, wollte Daisy sie über Anna beobachten.
    Daisy war nie Werberin für die Gruppe. Sie erfuhr, daß Mitglieder des Kults das Beratungszentrum infiltriert hatten, um sich mit Studenten anzufreunden. Meine Schwester wurde auf diese Art in einem Community College in Texas rekrutiert. Das regte Daisy um so mehr auf, weil sie befürchtete, daß man wegen der Episode in ihrer Vergangenheit ihr die Schuld zuschieben würde.«
    »Wer ist diese Elle?«
    »Ihr wirklicher Name ist Sylvie Boudrais. Was wir wissen, ist unvollständig. Sie ist vierundvierzig, geboren in Baie Comeau als Tochter einer Inuit-Mutter und eines Quebecer Vaters. Ihre Mutter starb, als sie vierzehn war, ihr Vater war Alkoholiker. Sylvie hat nie die High-School abgeschlossen, aber ihr IQ ist astronomisch.
    Boudrais verschwand nach ihrem Abgang von der Schule, tauchte aber Mitte der Siebziger in Quebec City wieder auf und arbeitete für wenig Geld als Privat-Therapeutin. Sie scharte eine kleine Anhängerschaft um sich und wurde schließlich Anführerin einer Gruppe, die sich in einer Jagdhütte in der Nähe von Ste. Anne de Beaupré niederließ. Es herrschte ständiger Geldmangel, und Probleme gab es auch wegen einiger minderjähriger Anhänger. Als schließlich eine Vierzehnjährige schwanger wurde, gingen die Eltern zur Polizei.
    Die Gruppe löste sich auf und Boudrais zog weiter. Sie gab ein kurzes Gastspiel bei

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