Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
Regale säumten drei Wände, in einigen standen Schachteln und Dosen. Als ich mich umdrehte, durchfuhr mich eine Kälte, die viel schlimmer war als die wetterbedingte.
Dutzende von Propangasflaschen stapelten sich an der vierten Wand, ihre Emaillierung glänzte im weichen Licht. Mir kam ein Bild in den Sinn, ein Propagandafoto aus Kriegszeiten von ordentlich aufgereihten Granaten. Mit zitternden Händen ließ ich mich wieder in das Loch hinab und setzte mich auf die oberste Stufe.
Was konnte ich nur tun, um sie aufzuhalten?
Ich spähte die Treppe hinunter. Ein Lichtquadrat fiel auf den Kellerboden und erreichte gerade noch Daisy Jeannottes Gesicht. Ich betrachtete ihre starren, kalten Züge »Wer bist du?« murmelte ich. »Ich dachte, das ist deine Show.«
Völlige Stille.
Ich atmete ein paarmal tief durch, um wieder zur Ruhe zu kommen, und stieg erneut in die Kammer hoch. Erleichterung über das Entkommen aus dem Tunnel wechselte sich ab mit der Angst vor dem, was mir bevorstand.
Aus der Abstellkammer gelangte ich in eine geräumige Küche. Ich humpelte zu einer Tür auf der gegenüberliegenden Seite, preßte den Rücken gegen die Wand und versuchte, die Geräusche von draußen zu identifizieren. Das Knarzen von Holz. Das Zischen von Wind und Eis. Das Knacken gefrorener Äste.
Kaum atmend drückte ich mich um den Türstock herum und trat in einen langen, dunklen Gang.
Die Geräusche des Sturms wurden schwächer. Ich roch Staub und Holzrauch und alte Teppiche. Mich an der Wand abstützend, humpelte ich vorwärts.
Wo bist du, Harry?
An einer Tür lauschte ich. Nichts. Mein Knie zitterte, und ich fragte mich, wie weit ich damit noch kommen würde. Dann hörte ich gedämpfte Stimmen.
Versteck dich!
Der Knauf drehte sich, und ich schlüpfte in ein Zimmer.
Die Luft roch schal und süßlich, wie nach verwelkten Blumen. Plötzlich stellten sich mir die Haare im Nacken und an den Armen auf. War das eine Bewegung? Ich hielt die Luft an.
Etwas atmete.
Mein Mund war trocken, ich schluckte und lauschte angestrengt.
Bis auf das stetige Ein- und Ausatmen war absolut nichts zu hören. Langsam kroch ich vorwärts, bis aus der dichten Dunkelheit Umrisse auftauchten. Ein Bett. Eine menschliche Gestalt. Ein Nachtkästchen mit einem Glas Wasser und einem Tablettenfläschchen.
Noch zwei Schritte, und ich erkannte lange blonde Haare auf einer Patchwork-Decke.
Konnte das sein?
Ich humpelte zum Bett und drehte den Kopf, damit ich das Gesicht sehen konnte.
»Harry!« O Gott, ja. Es war Harry.
Ihr Kopf kippte zur Seite, und sie gab ein leises Stöhnen von sich.
Gerade wollte ich nach dem Pillenfläschchen greifen, als mich von hinten ein Arm packte. Er legte sich mir um die Kehle und drückte mir die Luft ab. Eine Hand preßte sich mir auf den Mund.
Ich strampelte und schlug um mich. Irgendwie bekam ich das Handgelenk zu fassen und schaffte es, mir die Hand vom Gesicht zu zerren. Bevor sie zurückschnellte, sah ich den Ring. Ein schwarzes Rechteck mit geschnitztem Henkelkreuz und geriffeltem Rand. Während ich mich verzweifelt wehrte, erinnerte ich mich an eine Wunde in weichem, weißem Fleisch. Ich wußte, daß dies Hände waren, die nicht zögern würden, mein Leben zu beenden.
Ich versuchte zu schreien, doch Malachys Mörder hielt mich in einem Griff, der mir die Kehle abdrückte und den Mund verschloß. Eine Ewigkeit lang rang ich um Atem. Meine Lunge brannte, der Puls raste, und mir wurde immer wieder schwarz vor Augen.
Ich hörte Stimmen, aber die Welt verschwamm. Der Schmerz im Knie verschwand, während sich ein Schleier über mein Bewußtsein legte. Ich spürte, daß ich geschleift wurde. Meine Schulter stieß an etwas. Unter den Füßen etwas Weiches. Dann wieder Härte. Eine zweite Tür, der Arm noch immer wie ein Schraubstock um meine Luftröhre.
Hände packten mich, und etwas Rauhes wurde mir über die Handgelenke gestreift. Meine Arme wurden in die Höhe gerissen, aber der Druck um meinen Hals ließ nach, und ich konnte wieder atmen. Ich hörte, wie ich mit einem Aufkeuchen kostbare Luft in die Lungen saugte.
Während ich mit meinem Körper wieder Kontakt aufnahm, kehrte der Schmerz mit Macht zurück.
Meine Kehle brannte, das Atmen bereitete mir Mühe. Schultern und Ellbogen wurden durch den Zug nach oben überdehnt, meine Hände fühlten sich über meinem Kopf kalt und taub an.
Vergiß deinen Körper. Benutz dein Hirn.
Das Zimmer war geräumig, wie man es in Landgasthöfen und ähnlichem findet. Es
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