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Knochen zu Asche

Knochen zu Asche

Titel: Knochen zu Asche
Autoren: Kathy Reichs
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Die Köpfe waren einander zugeneigt und berührten sich, die Arme waren untergehakt.«
    »Aufgebahrt.«
    »Ja.«
    Ich fragte mich, was das mit mir zu tun hatte. Wenn sie nicht gerade zerstückelt, verstümmelt oder ohne Identifikationsmerkmale wie Fingerkuppen oder Zähne aufgefunden wurden, fielen frische Leichen selten in mein Fachgebiet.
    »Ich habe das Gefühl, dass Dorothée seit mindestens zwei Wochen tot ist«, fuhr LaManche fort. »Ich werde das heute noch genau bestimmen. Das Problem ist Geneviève. Ihre Leiche lag neben einem Heizlüfter.«
    »Und die heiße Luft blies über sie hinweg«, vermutete ich. Ich hatte das schon öfter gesehen.
    LaManche nickte. »PMI wird schwierig werden.«
    Mumifizierte Leiche. Unklares postmortales Intervall; die Zeit, die seit Todeseintritt verstrichen ist. Jawoll. Da kam ich ins Spiel.
    »Hinweise auf Verletzungen?«, fragte ich.
    »Bei Dorothées äußerer Untersuchung konnte ich nichts entdecken. Genevièves Leiche ist viel zu vertrocknet. Auf den Röntgenaufnahmen konnte ich weder bei der Mutter noch bei der Tochter etwas entdecken.«
    »Oberste Priorität?«
    LaManche nickte. Dann bohrten sich seine Jagdhundaugen in die meinen. »Ich bin mir sicher, dass diese Sache diskret und mit Anteilnahme behandelt werden kann.«
    Im Gegensatz zu den Doucet-Frauen waren nur wenige, die durch unsere Türen geschoben wurden, in ihren Betten gestorben.
Unsere Fälle waren die Ermordeten, die Selbstmörder, diejenigen, deren Leben durch schlechtes Timing, schlechtes Urteilsvermögen oder einfach nur Pech beendet worden war.
    LaManche wusste, wie sehr mir die Toten und die Hinterbliebenen am Herzen lagen. Er hatte gesehen, wie ich mit Familien umging oder aber mit Journalisten, die nur etwas Reißerisches für die Fünf-Uhr-Nachrichten suchten.
    LaManche wusste, dass er das eben Gesagte gar nicht hätte sagen müssen. Dass er es trotzdem getan hatte, zeigte, wie sehr ihn das persönlich mitnahm. Der alte Mann mochte Michelle Asselin sehr gern.
     
    Um neun waren alle Verwaltungsprobleme besprochen, alle Fälle zugewiesen und die Personalbesprechung abgeschlossen. Ich kehrte in mein Büro zurück, zog einen Labormantel über und ging ins Anthropologielabor. Die Knochen, die man auf der Baustelle gefunden hatte, lagen auf zwei Arbeitstischen.
    Schon nach dem ersten Blick wusste ich, dass in diesem Fall keine detaillierte Untersuchung nötig war. Nachdem ich mir jeden Knochen kurz angeschaut hatte, schrieb ich meinen Bericht gleich online.
    Les ossements ne sont pas humains. Die Knochen sind nicht menschlich. Zwanzig Minuten und fertig.
    Als Nächstes gab ich meinem Labortechniker Denis Anweisungen in Bezug auf die Säuberung des verkohlten Leichnams. Verkohlte Leichen können empfindlich sein und erfordern eine behutsame Zerlegung des Skeletts und Entfernung des Bindegewebes per Hand.
    Dann hieß es hinunter in die Leichenhalle.
    Klemmbrett. Greifzirkel. Formular für die skelettale Autopsie.
    Ich hatte meine Hand schon am Türknauf, als das Telefon klingelte. Ich hätte es beinahe ignoriert. Hätte ich vielleicht besser tun sollen.

4
    »Doc Brennan?« Die Stimme klang wie Stacheldraht auf Wellblech. »C’est moé, Hippo.«
    »Comment ça va?« Eine Formalität, wie im Aufzug. Ich wusste, wenn der Anrufer die Frage ernst genommen hätte, dann hätte er sehr detailliert geantwortet. Ich mochte den Kerl zwar, aber im Augenblick hatte ich nicht die Zeit dafür.
    »Ben. J’vas parker mon châr. Chu–«
    »Hippo?« Ich fiel ihm ins Wort.
    Sergent-enquêteur Hippolyte Gallant gehörte zur L’unité »Cold Cases« du Service des enquêtes sur le crimes contre la personne de la Sûreté du Québec. Mächtiger Titel. Schlichte Übersetzung. Provinzpolizei. Gewaltverbrechen. Abteilung für unerledigte Fälle, für alte oder kalte Fälle also.
    Obwohl Hippo und ich seit Gründung der Einheit 2004 einige Fälle bearbeitet hatten, hatte ich seinen Akzent nie kapiert. Es war nicht joual, der Slang der Französisch sprechenden Arbeiterklasse Quebecs. Es war eindeutig nicht pariserisch, belgisch, nordafrikanisch oder schweizerisch. Woher es auch stammen mochte, Hippos Französisch war für mein amerikanisches Ohr ein Rätsel.
    Zum Glück sprach Hippo beide Sprachen fließend.
    »Sorry, Doc.« Er wechselte ins Englische. Obwohl mit starkem Akzent und slanggefärbt, war es doch verständlich. »Bin unten und stelle eben mein Auto ab. Hab da was, das ich Ihnen zeigen muss.«
    »LaManche hat mir eben
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