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Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)

Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)

Titel: Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)
Autoren: Sendhil Mullainathan
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komplizierter zu bewältigen. Ein großer Koffer bietet nicht nur mehr Platz, er vertreibt auch das Gefühl von Knappheit. Wir haben nicht nur das Gefühl, genug Platz zu haben, wir bemerken die Kompromisse nicht einmal mehr. Während die realen Grenzen und Kompromisse für alle gelten, kann die Erfahrung damit durchaus unterschiedlich sein.
    In diesem Sinne berührt die Idee der Reserven das Herz unsererPsychologie der Knappheit. Reserven erlauben uns ein Gefühl des Überflusses. Reserven sind nicht einfach nur ineffizient, sie sind ein geistiger Luxus. Überfluss erlaubt uns nicht nur, mehr zu kaufen. Es gewährt uns den Luxus, schlampig zu packen, nicht groß nachdenken zu müssen und uns über Fehler nicht zu bekümmern. Henry David Thoreau hat festgestellt: »Der Mensch ist umso reicher, je mehr Dinge er liegen lassen kann« 24

kapitel 5
borgen und kurzsichtigkeit

    Angesichts eines permanenten Kampfes um die bloßen Notwendigkeiten des Lebens gibt es nichts, was uns Mut macht, nach vorn zu sehen, und alles, um uns den Mut zu nehmen.

    Jacob Riis, How the Other Half Lives 1
    Kürzlich hat das Center for Responsible Lending die Geschichte von Sandra Harris erzählt: 2
    Sandra war einmal beim Head-Start-Entwicklungsprogramm für Kinder dabei, das für Familien mit niedrigem Einkommen eingerichtet wurde. Sandra sollte dem Verwaltungsrat angehören, der Head Start im County New Hanover verwaltet. Sie wurde 2003 als »Angestellte des Jahres« für ihre Arbeit an der University of North Carolina in Wilmington geehrt, und die Einwohner von Wilmington kannten sie als Radiomoderatorin auf WMNX. 3 Aber unter der Oberfläche sah alles schlimm für Sandra aus. Ihr Ehemann hatte seinen Job als Küchenchef verloren. Das Paar, das immer einen Monat mit der Miete und den Rechnungen voraus war, steckte in einer finanziellen Klemme. Die Kfz-Versicherung war fällig, und Sandra konnte sie einfach nicht zahlen.
    Dann stieß Sandra auf eine Lösung: Sie nahm einen Kleinkredit auf. Die Idee war einfach. Sie würde Geld in der Hand haben und es zusammen mit den Zinsen zurückzahlen, wenn in ein paar Wochen das Gehalt auf dem Konto eintraf. Das war exakt, was sie brauchte.
    Sie schloss den Kredit ab und zahlte rechtzeitig ihre Versicherung. Und am nächsten Zahltag konnte sie den kleinen Kredit und die Zinsen von 50 Dollar zurückzahlen.
    »Sie wissen, dass Sie den Kredit stehen lassen können«, sagte ihr der Typ vom Kreditbüro. Und der Gedanke an die nicht bezahlte Stromrechnung blitzte in ihr auf. Sandra dachte: »Er hat Recht, ich brauche den Kredit noch länger.«
    Sandra hatte eine Kettenreaktion angestoßen. Der nächste Monat war nicht leichter als der jetzige. Das Geld war eher noch knapper, auch wegen der Kreditgebühren, und der Schuldenstand wurde größer. In den kommenden Monaten verlängerte sie den Kredit immer wieder und zahlte mit dem neuen Kredit den alten zurück. Nach einigen Monaten musste sie auch für die Zinsen und Gebühren Kredite aufnehmen.
    Nach einigen Verlängerungen verlangte der erste Kredithai die komplette Rückzahlung. Sandra hatte das Geld nicht, deshalb ging sie zur Konkurrenz, dem Urgent Money Service, und nahm einen Kredit auf, um den ersten Kredit zurückzuzahlen. Sie steckte immer tiefer in Schulden. Nach sechs Monaten zahlte Sandra Zinsen für sechs verschiedene Kredite. Im Juni 2003 waren Sandra und ihr Mann kurz davor, aus ihrem Apartment geworfen zu werden, in dem sie sechs Jahre gelebt hatten. Sandra schrieb: »Im Großen und Ganzen ging es so aus, dass wir einen Kredit aufnahmen, um den anderen zu zahlen. Wir mussten zwischen 495 Dollar und 600 Dollar im Monat an Gebühren aufbringen, ohne die Kredite selbst abtragen zu können.«
    Das ging mindestens sechs Monate so weiter. Das Geld diente nicht dazu, großzügig zu leben, sagte Sandra. »Die Leute denken, man lebt über seine Verhältnisse.« Aber sie kaufte keine Kleider, Sandra arbeitete vielmehr fleißig, um die Rechnungen der Familie während dieser finanziell knappen Zeit zu zahlen.
    Sandra ließ Schecks platzen. Sie musste ihr Auto abtreten. Sie versuchte weitere Steuerstundungen zu erhalten, sodass sie mehr Geld hatte, um Rechnungen zu bezahlen. Irgendwann musste sie Tausende von Dollar Steuern nachzahlen. Schließlich brach sie zusammen und trocknete während einer Schicht am Radio zwischen den Beiträgen ihre Tränen.
    »Es muss viel zusammenkommen, bis ich weine«, sagte sie.
    Den Daten nach ist Sandras Geschichte ziemlich
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