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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei
Autoren: J.R. Moehringer
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die
Life
-Ausgabe der vergangenen Woche. Manson starrt Sutton böse an. Sutton dreht Manson um.
    Vielleicht hätten Sie es vorne bequemer, sagt Schreiber.
    Nö, sagt Sutton, was sitzen angeht, bin ich nicht verwöhnt.
    Schreiber lächelt. Okay, Mr Sutton. Ich nehme gern den Beifahrersitz. Da hat man immer freie Schusslinie.
    Sutton seufzt. Freie Schusslinie – den Begriff nehmen Zivilisten so unbekümmert in den Mund. Er ist schon unzählige Male mit Männern gefahren, die freie Schusslinie gebraucht haben, für die Knarre auf ihrem Schoß. Von Unbekümmertheit war da keine Spur.
    Knipser zwinkert Sutton im Rückspiegel zu. Hey, Willie, ich muss es einfach loswerden: Es ist irre, Sie kennenzulernen, Mann. Ich meine, Willie the Actor – heilige Scheiße, das ist, als würde man Dillinger treffen.
    Hm, sagt Sutton, aber Dillinger hat Leute umgebracht.
    Oder Jesse James.
    Dito – hat Leute umgebracht.
    Oder Al Capone.
    Da scheint sich ein Muster herauszubilden, murmelt Sutton.
    Ich wollte diesen Auftrag unbedingt, sagt Knipser.
    Tatsächlich?
    Trotz Weihnachten. Ich hab zu meiner Lady gesagt, Baby, hier geht es um
Willie the Actor
. Der Mann hat jahrzehntelang gegen die Polizei gekämpft.
    Da bin ich mir nicht so sicher.
    Aber Sie haben gegen das Gesetz gekämpft.
    Na gut.
    Sie waren ein Antiheld, bevor es das Wort überhaupt gab.
    Ein Antiheld?
    Teufel ja, Mann. Wir leben im Zeitalter der Antihelden. Die Zeiten sind hart, und die Leute haben die Nase voll, das muss ich Ihnen ja wohl nicht sagen. Die Preise steigen sprunghaft an, die Steuern sind astronomisch, Millionen sind hungrig und wütend. Ungerechtigkeit. Ungleichheit. Der Kampf gegen die Armut ist ein Witz, der Krieg in Vietnam illegal, das Sozialreformprogramm ein einziger Betrug.
    Alles beim Alten, sagt Sutton.
    Ja und nein, sagt Knipser. Die gleiche Scheiße, aber die Leute nehmen es nicht mehr hin. Die Leute gehen auf die Straße, Mann. Chicago, Newark, Detroit. Solche Bürgerunruhen hat es lange nicht mehr gegeben. Und deswegen sind die Leute nach jedem verrückt, der die Macht bekämpft – und gewinnt. Wie Sie, Willie. Haben Sie die heutigen Schlagzeilen gesehen?
    Das ist ein Blindgänger, flüstert Schreiber seinem Kollegen zu. Auf der Schiene hab ich es auch schon probiert.
    Knipser ist unverdrossen. Erst vor ein paar Tagen, sagt er, hab ich meiner Lady abends alles über Sie erzählt –
    Du weißt alles über Willie?
    Klar. Und wissen Sie, was sie gesagt hat? Sie hat gesagt: Das klingt ja so, als wäre er ein echter Robin Hood.
    Nun ja, Robin Hood war ja echt, aber trotzdem. Sie klingt nett.
    Oh, ich bin ein Glückspilz, Willie. Meine Lady ist Lehrerin in der Bronx. Macht gerade eine Ausbildung als Masseurin. Sie hat mein Leben verändert, meinen Horizont erweitert. Die richtige Frau kann das nämlich.
    Deinen Horizont?
    Ja. Sie kennt alle Triggerpunkte im Körper. Sie hat mich wirklich befreit. Künstlerisch. Emotional. Sexuell.
    Knipser fängt an zu kichern. Sutton starrt die im Rückspiegel eingerahmten roten Augen an – der Mann ist stoned. Schreiber starrt ihn ebenfalls an, wahrscheinlich denkt er dasselbe.
    Triggerpunkte, sagt Sutton.
    Ja. Sie lernt die gleichen Techniken, die sie bei Kennedy angewandt haben. Am Rücken. Ich hab auch einen schlimmen Rücken – meine Arbeit bringt das unausweichlich mit sich –, deswegen behandelt sie jeden Abend meine Verhärtungen. Ihre Hände sind magisch. Ich bin völlig besessen von ihr, falls Sie das nicht schon bemerkt haben. Von ihren Augen. Ihrem Haar. Ihrem Gesicht. Ihrem Arsch. Gott, ihr Arsch. Ich sollte das nicht sagen. Sie ist Feministin. Sie sagt immer, ich soll Frauen nicht als Objekt betrachten.
    Du sollst Frauen nicht objektiv betrachten?
    Als Objekt.
    Oh.
    Schreiber räuspert sich. Laut. Also dann, sagt er, schließt seine Tür und breitet Suttons Karte über dem Armaturenbrett des Polara aus. Mr Sutton hat uns freundlicherweise Orte auf einer Karte markiert, die er uns heute zeigen möchte. Er besteht darauf, dass wir sie alle besuchen. In chronologischer Reihenfolge.
    Knipser sieht die vielen roten Zahlen. Dreizehn, vierz –
Echt
?
    Echt.
    Knipser senkt die Stimme. Wann kommen wir zu, Sie wissen schon? Schuster?
    Zum Schluss.
    Knipsers Stimme wird noch leiser. Was ist los?
    Entweder so, flüstert Schreiber, oder gar nicht.
    Sutton neigt den Kopf und versucht, nicht zu lächeln.
    Knipser wirft die Hände hoch, als würde Schreiber ihn ausrauben. Hey Mann, alles bestens. Ich
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