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Kleine Suenden zum Dessert

Kleine Suenden zum Dessert

Titel: Kleine Suenden zum Dessert
Autoren: Clare Dowling
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vielleicht Recht hatte. Was für einen Sinn hätte es, alles wieder aufzurühren? Ein emotionales Durcheinander anzurichten wegen einer Geschichte, die aus und vorbei war. Aber genau da lag der Hase im Pfeffer: Sie war nicht aus und vorbei!
    Als sie Trim erreichte, begann es zu regnen. Als sie vor dem Gericht anhielt, goss es in Strömen. Mit viel Winden und Drehen kämpfte sie sich hinter dem Steuer in ihren Regenmantel, griff sich ihren altersschwachen schwarzen Schirm und stieg aus.
    Je näher sie dem Eingang kam, umso nervöser wurde sie. Eine Frau in ihrem Alter strebte demselben Ziel entgegen. Grace nickte ihr zu. »Ein schrecklicher Tag!«
    »Meiner ist wegen Hehlerei dran«, berichtete die Frau ihr ungefragt. »Und Ihrer?«
    »Nun, er ist genau genommen nicht mein ... wir waren ... wegen Ruhestörung und Zerstörung fremden Eigentums.«
    »Hat er ein Pub zerlegt? Ein Schaufenster eingeschmissen?«
    »Es geht um ein Mikrofon und zwei Verstärker.«
    Die Frau überlegte kurz und erklärte dann: »Dann kommt er mit einer Geldstrafe davon.«
    »Glauben Sie?«, fragte Grace hoffnungsvoll.
    »Vielleicht brummen sie ihm auch noch ein paar Stunden Sozialdienst auf.«
    »Das könnte problematisch werden. Er ist aus Tasmanien.«
    »Das ist ja noch besser!«
    »Ach ja?«
    »Richter Murphy nimmt Ausländer nicht so hart ran. Kopf hoch, Schätzchen.« Sie tätschelte Graces Arm und verschwand in dem ehrwürdigen Gebäude.
    Grace blieb unschlüssig stehen. Was wäre, wenn er auf der Anklagebank säße, wenn sie hereinplatzte? (Müsste er wegen zwei kaputter Verstärker überhaupt auf der Anklagebank sitzen? Sie wusste es nicht.) Was wäre, wenn ihr Anblick ihn derart aus der Fassung brächte, dass er »Schuldig!« hervorstieße, obwohl er das Gegenteil hatte sagen wollen? Was wäre, wenn sie bei seinem Anblick derart von Gefühlen oder, noch schlimmer, Leidenschaft - überwältigt würde, dass sie sich auf ihn stürzte und anfinge, ihm die Kleider vom Leibb zu reißen? Oder sich selbst?
    Nein - sie glaubte nicht, dass sie das tun würde. Sie war überzeugt, dass sie genügend Abstand zu diesem Abschnitt ihres Lebens - zu ihm - gewonnen hatte, um keine Dummheit zu machen. Trotzdem wäre es besser, draußen zu warten, entschied sie. Auf diese Weise würde ihre Begegnung entspannter verlaufen. Sie würde ihn beim Herauskommen abfangen, und dann könnten sie auf dem Bürgersteig ein paar unverbindliche Worte wechseln wie zwei flüchtige Bekannte, die nach einer kurzen Unterhaltung ihres jeweiligen Weges gingen. Ja - das wäre genau in ihrem Sinn. Das Problem war, dass es unvermindert heftig regnete. Noch dazu kam der Regen in einem solchen Winkel, dass er Grace von den Knien abwärts durchweichte. Und der Wind machte mit ihren Haaren, was er wollte - und das war ganz und gar nicht in ihrem Sinn.
    Als sei das noch nicht genug, weigerte sich jetzt der Schirm, offen zu bleiben, und fiel immer wieder über ihrem Kopf in sich zusammen. »Mist!« Das Wort wurde ihren Gefühlen in diesem Moment zwar nicht annähernd gerecht, doch es war besser als nichts - und auf jeden Fall besser, als auf der Treppe des Gerichtsgebäudes so deftig zu fluchen, wie sie es gern getan hätte.
    Das Pub auf der anderen Straßenseite hieß passenderweise The Crooked Penny. Grace straffte ihre Schultern und lief los. Sie riss die Tür auf und schüttelte sich, endlich im Trockenen, ohne auf die neugierigen Blicke der männlichen Frühschoppengäste zu achten, wie ein nasses Huhn. Hoffentlich lief ihre Wimperntusche nicht über ihre Wangen! Sie steuerte auf den Tresen zu.
    Der Barmann griff bereits nach der Kaffeekanne. Ärgerlich über diese Voreingenommenheit setzte sie sich auf einen der Hocker und bestellte laut und vernehmlich: »Einen Gin Tonic, bitte.« Etwas leiser setzte sie hinzu: »Und eine Packung von den Speckchips da.« Sie mampfte und nippte genüsslich vor sich hin und hoffte, dass es bald zu regnen aufhören würde, als sie aus dem Augenwinkel einen Mann im Straßenanzug auf sich zukommen sah. Also wirklich! Eine junge Mutter konnte an einem Dienstagvormittag keinen Drink in einer Kneipe nehmen, ohne dass sich irgendein Kerl an sie heranmachte! Es war noch ein weiter Weg zur echten Gleichberechtigung, dachte sie düster.
    Sie starrte hochmütig vor sich hin und überlegte sich eine zündende Abfuhr. Sie könnte sagen, dass sie an einem Samstagabend schon Hübscheres aus einem Gully habe kriechen sehen. Sie könnte sich auch lautstark über
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