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Kleine Suenden zum Dessert

Kleine Suenden zum Dessert

Titel: Kleine Suenden zum Dessert
Autoren: Clare Dowling
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Ewan, der den Auftritt auf dem kleinen Fernsehschirm in der Ecke verfolgte. Grace hatte in aller Eile einen Kleidertausch der beiden Männer organisiert, und so trug Ewan jetzt Nicks Gary-Kemp-Hemd - allerdings unter Protest, wie er betonte. Nick sah blendend aus in Ewans rotem Hemd und seiner eigenen schwarzen Nappalederhose.
    »Sei still!«, zischte Grace. »Jetzt kommt‘s!« Der Moderator informierte die Zuschauer mit gewichtiger Miene, dass die telefonisch abgegebenen Stimmen zweimal gezählt und die Summen von einem neutralen Preisrichter bestätigt worden seien. Und er konnte jetzt mitteilen, dass die Bewerberin mit dem weißen Minirock und dem verführerischen Lächeln eine Riesenanzahl für sich verbuchen durfte.
    »Fünfundzwanzigtausend Stimmen!«, stöhnte Grace. »Die kann Nick niemals toppen!«
    »Muss er ja auch nicht«, sagte Neil. »Er darf nur nicht Letzter werden.«
    »Hör auf, in mein Hemd zu schwitzen«, beschwor Ewan Nick leise via Bildschirm.
    Jetzt wurden die Stimmen für den Bärtigen vorgelesen - neunundzwanzig - und der Moderator machte ihn genussvoll nieder. »Du warst ziemlich miserabel, stimmt‘s, Duncan?« Grace sprang auf und applaudierte. »Er war miserabel! Oh, was für ein Glück!«
    »Weniger als neunundzwanzig bekommt Nick auf keinen Fall«, erklärte Neil. »Er hat es geschafft.« Damit machten er und Jamie sich auf die Suche nach dem Süßigkeitenautomaten. Graces Blick war noch immer auf den Fernseher geheftet. »Ist das nicht toll?«, sagte sie.
    Ewan zupfte unglücklich an Nicks weißem Rüschenhemd. »Wenn mich bloß niemand damit sieht!«
    »Wer soll dich hier drin denn damit sehen?« Es sah ihm gar nicht ähnlich, sich so um sein Erscheinungsbild zu sorgen - und es war besonders unverständlich, da er zusehends zu Bob Geldof mutierte. Grace hatte Recht gehabt: Nach nur drei Monaten zeigten sich bei Ewan bereits alle Anzeichen eines allein lebenden, verschlampten Genies. Seine Künstlermähne endete knapp über dem Hemdkragen und er hatte sich angewöhnt, einen Dreitagebart und verwaschene Jeans zu tragen. Sogar seine Aussprache war lässiger geworden.
    Alles in allem wirkte er zehn Jahre jünger. War das nicht zum Kotzen?
    Grace hatte noch weiter zugelegt. Inzwischen trug sie XXL, eine Größe, die sie ebenso bequem wie angemessen fand. Da ihr in den Kaftanen jetzt die Beine abgefroren wären, hatte sie für die kalte Jahreszeit herrlich weiche Pullover und weite Hosen in ihrem Kleiderschrank. Ihre Haare waren länger und wunderbar unkompliziert zu handhaben: Sie brauchte sie nach dem Waschen nur lufttrocknen zu lassen. Natalie zuliebe ließ sie sie alle zwei Monate in Form schneiden, doch damit hatte es sich dann. Die Zwillinge aus den Midlands, die »The Power of Love« gecovert hatten, durften sich, wie der Moderator mitteilte, über mehr als achtzehntausend Stimmen freuen. »Pah!«, spuckte Grace - und dann kam eine Werbepause. »Ich fasse es nicht!«
    »Das machen sie ganz bewusst, um Spannung aufzubauen«, erklärte Ewan, der Werbefachmann. Er drehte die Lautstärke herunter und wandte sich Grace zu. »Also - das war‘s erst mal«, sagte er übertrieben locker. Sie überlegte, ob er ihr vorschlagen würde, es noch mal miteinander zu versuchen. Am Anfang hatte er es tagtäglich getan, und das wochenlang, doch in letzter Zeit nicht mehr.
    »Hast du etwas auf dem Herzen, Ewan?«, fragte sie.
    »Ja, das habe ich in der Tat.«
    Grace entdeckte einen Schwachpunkt in seinem neuen Image des gepflegten Bohemiens: Der Nasenbügel seiner Brille war mit Tesafilm geklebt. Wahrscheinlich hat er sich wieder mal draufgesetzt, dachte sie, und es stieg eine solche Zärtlichkeit in ihr auf, dass sie beinahe schwach wurde.
    Es wäre so einfach. Und so falsch. Denn sie kannte sich: Als Erstes würde sie wahrscheinlich seine Brille zum Optiker bringen.
    »Nein!«, stieß sie hervor. »Ich habe das jetzt bestimmt schon hundertmal gesagt. Wirklich, Ewan, ich dachte, wir hätten diese Phase hinter uns.«
    Er schaute sie ein wenig erschrocken an. »Ich wollte dich nur fragen, ob ich die Jungs mittwochabends haben könnte.«
    »Oh.«
    »Zusätzlich zu den Wochenenden, meine ich. Natürlich kann ich auch meinen Anwalt beauftragen, deinem Anwalt deswegen zu schreiben, wenn dir das lieber ist.«
    »Nein, nein. Wir müssen es selbstverständlich mit den Jungs besprechen, aber ich bin damit einverstanden. Allerdings verstehe ich es nicht ganz. Sagtest du nicht, du wärst zu beschäftigt, um sie
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