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Klassenfahrt zur Hexenburg

Klassenfahrt zur Hexenburg

Titel: Klassenfahrt zur Hexenburg
Autoren: Stefan Wolf
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„haben sich damals die schönsten Plätze ausgesucht. Na ja, damals gab’s
noch Platz genug — und vor allem keine Baulöwen und Bodenspekulanten.“
    Gaby lächelte. „Hörst du, wie
die Rosse wiehern — wie die Hörner schallen? Der Burgherr und seine Gäste —
unsere Eltern natürlich — kommen von der Hirschjagd zurück.“
    Tim nickte und setzte den
Ausflug in die Vergangenheit fort. „Für nächstes Jahr habe ich im Reisebüro
einen Kreuzzug gebucht. Soll bis nach Jerusalem gehen. Bildungsreise für Ritter
und Gefolge. Da sieht man was von der Welt. Kommst du mit, schönes
Burgfräulein?“
    „Gern. Um welchen Kreuzzug
handelt es sich?“
    Er überlegte. „Ich glaube, es
gab sieben. Wir nehmen den letzten von 1270. Der führte über Tunis nach
Palästina. Aber dort haben die Mohammedaner über die christlichen Ritter
gesiegt.“
    „Dann nehmen wir lieber den
ersten“, meinte sie. „Der war von 1096 bis 1099 und ging günstig aus fürs
Abendland.“ Sie strich ihre Haare zurück. „Es wird langweilig, Ritter Kuno. Der
Porsche ist bald in Niedersteupen und...“ Sie sprach nicht weiter. Ringsum
tönten aufgeregte Stimmen. Die beiden beugten sich in die Schießscharte. Jetzt
konnten sie sehen, was los war.
    Westphal und Pauschke kamen aus
dem Wald — nein, stolperten vor sich hin, bergwärts, schwankten, schleppten
sich wie fußkranke Kreuzritter und boten trotz der Entfernung einen
jämmerlichen Anblick.
    Sie schafften es bis zum
Torhaus, wo ihnen Club-Kameraden entgegeneilten.
    Die beiden Männer bluteten im
Gesicht, hatten aufgeschlagene Lippen und Risse in den Brauen. Westphal spuckte
Blut. Ihm fehlten zwei Zähne. Pauschke konnte kaum atmen. Man hatte ihn, als er
schon am Boden lag, in die Rippen getreten.
    „...stimmt alles“, keuchte
Westphal. „Wir sind umzingelt, abgeschnitten. Da ist kein Durchkommen. Wir...
also in der ersten Kurve ist die Fahrbahn mit stählernen Krähenfüßen bedeckt.
Ich glaube, mir sind gleich drei Reifen weggeknallt. Krach — wir saßen am Baum.
War aber nur ein Antupfer. Und der Wagen ist nur ein bisschen verbeult. Aber
dann waren sie da wie aus dem Boden gewachsen — vier, fünf Kerle. Alle mit
Knüppeln und Totschlägern.“
    Er hielt inne und befühlte sein
Gesicht.
    „Die sind über uns hergefallen,
als wollten sie uns umbringen“, setzte Pauschke den Bericht fort. „Wir haben
uns gewehrt, aber... na, ihr seht es ja. So ein kleiner Zierlicher war dabei —
mit Schnauzbart. Der hat immerzu gebrüllt: Zurück in die Burg! Zurück mit euch!
Ihr liefert den Wagen aus oder keiner entkommt. Verhungern lassen wir euch. — Dann
haben sie uns mit Schlägen zurückgetrieben.“
    Stille.
    Nur der Flügelschlag eines
Turmfalken war zu hören.
    Tim und Gaby musterten die
Club-Mitglieder. Die Hobby-Abenteurer wirkten plötzlich ganz anders. Amüsiert
war keiner mehr. Mancher, der sonst der Gefahr ins Auge sah, schlug jetzt den
Blick nieder.
    Karl-Walter von Sill, der
Silbrige, sagte: „Wir sollten erst mal die Zugbrücke hochziehen und dann in
Ruhe überlegen.“
    Betreffs der Zugbrücke fand er
ungeteilte Zustimmung. Bei der anschließenden Überlegung im Rittersaal kam
nichts raus.
    Immerhin hatte man, um sich von
den unbekannten Feinden nicht überraschen zu lassen, Wachen aufgestellt. Dafür
wollte Zachwang Köche, Kellner und Zimmermädchen einteilen. Aber Sill ließ das
nicht zu.
    „Ihr Personal“, begründete er,
„ist sicherlich hervorragend, aber in der Hinsicht ungeübt und das Risiko zu
groß.“
    Döring und Reinbold wurden als
Wachen benannt. Tim und Gaby gesellten sich freiwillig zu ihnen.
    Sie hatten den Bergfried, den
Hauptturm, erklommen, standen hinter den Zinnen auf der Wehrplatte und blickten
hinunter. Wachsam, natürlich.
    Reinbold und Döring japsten
nach Luft. Tim hatte offenbar einen Fahrstuhl benutzt, den es hier aber nicht
gab. Auch Gaby war kaum außer Puste.
    „Niemand zu sehen“, sagte
Döring und ließ das Fernglas sinken, das die Hotelleitung zur Verfügung
stellte.
    „Ein Alptraum“, sagte Gaby.
„Mitten in Deutschland passiert so was. Ich frage mich, warum? Die Autodiebe
riskieren eine Menge. Wenn sie erwischt werden, können sie sich auf saftige
Strafen gefasst machen. Wegen Freiheitsberaubung, Körperverletzung,
Sachbeschädigung. Und das alles für ein stinknormales Auto? Da muss doch was
anderes dahinter stecken!“
    „Dem schließe ich mich
vollinhaltlich an“, rief Tim einem Turmfalken zu, der im Flug eine
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