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KK fischt im Internet

KK fischt im Internet

Titel: KK fischt im Internet
Autoren: Ursel Scheffler
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noch nicht durch Steinwürfe ausgeblasen worden ist, bleibt er stehen. Er kramt einen Zettel aus der Jackentasche, auf dem der Lageplan seines Zielortes aufgezeichnet ist.

     
    Der Junge heißt Ken. Er jobbt als Kurier und hat einen Eilauftrag. Die Firma, die er sucht, heißt Rage und hat keine genaue Adresse. Für den Auftrag gibt es mehr Geld als üblich. Dafür muss Ken durch diese finstre Gegend. Aber auf den Skatern hat er keine Angst.
    Da ist er schneller als die anderen. Es geht nicht um Drogen oder so. Das hat ihm sein Kumpel geschworen. Er soll bloß etwas abgeben.
    Hier müsste es sein! Ken biegt durch eine Einfahrt in einen Hinterhof ein, der von ziemlich heruntergekommenen Häusern umgrenzt ist. Nur in wenigen Wohnungen brennt Licht.
    „Sieht nach Abbruchhäusern aus“, denkt Ken, als er seinen Blick schweifen lässt. Teilweise sind sogar die Feuerleitern schon aus den Verankerungen gerissen. In einer Ecke entdeckt er jetzt das Firmenschild, das er sucht: RAGE. Es ist eine Art Hinterhofwerkstatt. Sie ist durch eine breite Schiebetür aus Wellblech verschlossen. Die Leuchtbuchstaben an der Mauer leuchten längst nicht mehr. Jetzt sieht Ken auch, dass die ersten Buchstaben fehlen. Es hängen nur zwei Kabel herunter. Durch einen Spalt der Holztür fällt Licht. Also scheint jemand drin zu sein.
    „Hallo?“, ruft Ken halblaut und klopft an die Tür. „Mr. Rage?“
    „Na, da bist du ja endlich!“, antwortet eine unangenehme Stimme, die einen starken mexikanischen Akzent hat.
    Die Tür öffnet sich einen Spaltbreit. Ken schlüpft hinein. Der kleine, braun gebrannte Mann zeigt auf eine Klappe im Boden und sagt: „Komm!“
    Ken steigt die Stufen einer Metallleiter hinunter, die vermutlich mal Teil einer Feuerleiter gewesen ist. Durch einen unterirdischen Verbindungsgang gelangen sie in hell erleuchtete Kellerräume. Ken hält die Hand vor die Augen, weil ihn das Licht aus den Leuchtstoffröhren blendet. In dem Raum sind acht mexikanische Jungen, die mit flinken Händen winzige Päckchen in kleine Kisten verpacken.
    In einem anderen, etwas abgedunkelten Raum sieht er drei junge Männer vor Computern sitzen. Ken hat keine Zeit sich genauer umzusehen, denn „Mr. Rage“ schiebt die Tür zu diesem Nebenraum rasch wieder hinter sich zu.
    „Wo ist die Ware?“, fragt er. „Hier“, sagt Ken und packt seinen Rucksack aus. Er übergibt Rage einen verschlossenen Karton, den dieser gleich aufreißt. Er enthält eine schwarze Box aus Hartplastik mit etwa hundert CDs. Ken atmet tief durch. Er ahnt, dass es bei der „Lieferung“ um Computerdaten geht, denn sein Kumpel jobbt seit einiger Zeit als Nachtwächter in einer Softwarefirma.

    „Augenblick!“, sagt Mr. Rage.
    „Wir müssen die Ware testen. Dann bekommst du die Kohle.“ „Kevin hat alles eigenhändig eingepackt. Das geht bestimmt in Ordnung“, versichert Ken. Rage verschwindet mit den CDs im Nebenraum.
    Ken ist jetzt doch ein bisschen mulmig zumute. Sein Kumpel hätte nicht so ein Getue gemacht, wenn es legale Daten wären. Schlagartig wird Ken klar, was hier vorgeht. Er ist in eine Raubkopierwerkstatt geraten!
    Jetzt kommt der Mann zurück. Er sieht Ken prüfend an und sagt: „Du weißt, dass du hier nichts gesehen und gehört hast? Wir entwickeln hier so ’ne Art geheimer Computerprogramme, von denen die Konkurrenz nichts erfahren darf. Kevin sagt, du bist zuverlässig. Solltest du trotzdem zu irgendjemandem nur ein Sterbenswörtchen sagen, war das dein letzter Job – äh – dieser Art.“
    Der Mann spricht das „letzter Job“ so drohend aus, dass Ken das Gefühl hat, er meint damit den letzten Job in seinem Leben.
    „Coke?“, fragt der Mann und bietet Ken eine Cola aus dem altmodischen Kühlschrank in der Ecke an.
    Ken schüttelt den Kopf. Die Angst schnürt ihm die Kehle zu. Es dauert eine halbe Ewigkeit, ehe endlich ein blasser junger Mann mit dünnen braunen Haaren und Nickelbrille seinen Kopf durch die Tür steckt und sagt: „Das Material ist erste Sahne, Chef!“ Mr. Rage bringt die leere Box wieder zurück. Dann geht er an den Kühlschrank, der offenbar auch als Safe dient, und holt aus dem Gemüsefach ein Bündel Dollarnoten. Dann nimmt er einen Stapel CDs aus einem Regal. „Das sind nagelneue SpezialCDs. Kevin weiß Bescheid. Für die nächste Lieferung.“
    Er schiebt CDs und Geld in die schwarze Box und steckt alles wieder in den Karton. Den versiegelt er mit einem Klebestreifen. „Damit unterwegs nichts herausfällt“, sagt
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