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KISSED

KISSED

Titel: KISSED
Autoren: ALEX FLINN
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ich seinen Anzug genauer unter die Lupe nähme, würde auch er nicht halten, was er auf den ersten Blick verspricht. Ich überlege, ob ich bei ihm in Bezug auf die Reparatur nicht ein Auge zudrücken sollte. Aber dann fallen mir wieder die Rechnungen ein, die sich stapeln und wegen denen Mom gestern geweint hat. Außerdem ist er ein Idiot. »Sechzig Dollar«, sage ich.
    »Sechzig? In St. Louis zahle ich dafür …«
    »Das hier ist South Beach, nicht St. Louis, und Sie brauchen sie schnell.« Aber ich gebe nach. »Okay, fünfzig. In zwanzig Minuten bin ich fertig.«
    Fünfzehn Minuten später ist er auf dem Weg nach draußen. »Viel Glück!«
    Sobald er weg ist, gibt mir Meg ein Zeichen, dass ich rüberkommen soll. Zwischen zwei Kunden sagt sie: »Mir ist etwas eingefallen. Wenn du Prinzessin Victoriana dazu bringen kannst, ein Paar von deinen Schuhen zu tragen, wird jeder sie haben wollen. Du könntest tausend Dollar pro Paar verlangen!«
    »Klar, und wenn Frösche fliegen könnten …«
    Aber eigentlich ist es eine geniale Idee. Ich bin schon genug reichen Leuten begegnet, um zu wissen, dass sie nichts lieber wollen, als wie noch reichere Leute auszusehen.
    »Ich entwerfe besondere Schuhe für anspruchsvolle Füße«, zitiere ich den Schuhdesigner Manolo Blahnik. »Vielleicht hast du recht. Wer könnte sie besser tragen als die Prinzessin?«
    »Ja, wer«, stimmt Meg zu.
    »Aber da gibt es ein Problem. Wie bringen wir sie dazu, sie zu tragen?«
    »Schenk ihr ein Paar. Du hast gesagt, dass sie nett zu sein scheint. Wenn sie sieht, wie fantastisch sie sind, dann wird sie sie vielleicht tragen. Und wenn sie dann dabei fotografiert wird, wie sie betrunken aus einer Limousine fällt, hat sie deine Schuhe an. Du musst noch einmal mit ihr reden.«
    Plötzlich höre ich einen Tumult in der Lobby, einen Tumult, der nur bedeuten kann, dass Victoriana gesichtet wurde. Ich renne los, um nachzuschauen.
    Sie ist es nicht. Nur ihr Hund. Ihr Hund, drei Bodyguards, zwei Hotelbedienstete und sechs schwimmende Schwäne jagen im Kreis hintereinander her.
    »Kein Glück gehabt?«, fragt Meg, als ich zurückkehre.
    »Nein, kein Glück gehabt«, sage ich, »aber ich werde es weiter versuchen.«

4
    Den Rest des Tages kann ich an nichts anderes mehr denken, als an Megs Idee, Prinzessin Victoriana dazu zu bringen, meine Schuhe zu tragen. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten bin ich ganz aufgeregt. Es ist viel los heute, deshalb habe ich wenig Zeit, herumzusitzen und zu träumen, aber das hat auch sein Gutes. Während ich Absatzspitzen abziehe und Risse flicke, schmiede ich konkrete Pläne, wie ich es anstellen könnte. Um sechs beschließe ich, den Laden eine Stunde zuzumachen, um zu Abend zu essen. Mom sollte jetzt zu Hause sein, und ich möchte ihr von der Idee erzählen. Meg ist schon weg, aber ihr Bruder Sean sagt, dass er die Schuhe meiner Kunden bei sich in der Kaffeebar annehmen kann. Wenn überhaupt noch jemand kommt.
    Als ich gehe, regnet es. Trotzdem radle ich nach Hause, weil ich total aufgedreht bin. Sobald ich die Wohnung betretenhabe, merke ich, dass etwas nicht stimmt. Weder die Lichter noch die Klimaanlage sind an. Meine Mutter sitzt auf dem Sofa und fächelt sich Luft zu.
    Ich sage: »Hey, du wirst niemals erraten, wen ich heute gesehen habe.«
    »Oh, Johnny.« Meine Mutter hat ein T-Shirt an, auf dem Love That Dog! steht. Sie trägt es in ihrem Zweitjob, in einem Hot-Dog-Laden. Sie geht hinüber zum Fenster. »Tut mir leid, dass es so heiß ist. Sie …«
    »… haben den Strom abgestellt. Schon kapiert.« Sie nickt, und ich frage: »Wie viel schulden wir ihnen?«
    »Fünfhundert. Das oder die Miete – ich musste mich entscheiden. Ich habe von Mrs. Castano Eis bekommen. Das sollte die Lebensmittel bis zum Zahltag kühlen, vorausgesetzt, wir machen die Kühlschranktür nicht allzu oft auf.«
    Im Kopf rechne ich die Einnahmen von heute zusammen. Es ergibt nicht annähernd genug. Jetzt tut es mir leid, dass ich dem St.-Louis-Typen einen Rabatt von zehn Dollar gewährt habe.
    Aber Mom lächelt, als wäre sie daran gewöhnt. Sie ist daran gewöhnt. Letzten Sommer war es genau das Gleiche.
    Ich selbst will mich daran niemals gewöhnen. Als ich klein war, machten wir eine Art Spiel daraus, so etwas wie Camping. Aber inzwischen weiß ich, dass es kein Spiel ist. Ich frage mich, wie lange es noch dauert, bis wir gar keine Rechnung mehr bezahlen können und das Geschäft verlieren.
    »Sag schon«, sagt Mom. »Hast du die Prinzessin
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