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Kirmes des Todes

Kirmes des Todes

Titel: Kirmes des Todes
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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Spur.
     
     
    Ein Blick auf die Uhr zeigte Bahn, daß er sich beeilen mußte, wollte er nicht zu spät zum Pressegespräch der Schausteller kommen. Aus der Erfahrung der letzten Jahre steuerte er den großen Parkplatz an der Victor-Gollancz-Straße vor dem Hoeschmuseum an. Von dort war es nur ein Katzensprung zum Franziskaner, in dem die Schausteller immer ihr letztes Pressegespräch vor der Annakirmes abhielten. Dabei wurden die letzten Attraktionen vorgestellt, Veränderungen bekanntgegeben, zugleich bot sich für Bahn wieder die Gelegenheit, die Bekanntschaften zu den Großen des Kirmesgeschäfts aufzufrischen. Man sah sich halt nur einmal im Jahr und freute sich auf die Gespräche beim Arbeitsessen nach dem offiziellen Teil.
     
     
    Bahn staunte nicht schlecht, als er die Gaststätte wegen Ruhetags verschlossen vorfand. Ein Blick auf die Einladung belehrte ihn. In diesem Jahr fand das Pressegespräch im Rathaus statt. Bernd Grundmann, der nach der Pensionierung von Zins die Leitung des Amtes für Gewerbe und Marktangelegenheiten übernommen hatte und damit für die Ausrichtung der Annakirmes zuständig geworden war, hatte in den kleinen Sitzungssaal des Rathauses eingeladen.
    Eilig legte Bahn die wenigen Meter zum Verwaltungsgebäude zurück. Grundmann hat zwar das Amt von Zins übernommen, aber nicht dessen Würde als „Kirmesdirektor“, dachte Bahn während seines kurzen Fußweges. Das war wohl auch so eine blödsinnige Neuerung von Grundmann, das Pressegespräch in der nüchternen Rathausumgebung und nicht in der gemütlichen Gaststätte durchzuführen. Auch auf dem Kirmesplatz hatte er nach der Pensionierung von Zins allerhand umgekrempelt, eine neue Wegeführung angeordnet und die Verteilung der Geschäfte anders geregelt. Hatte bei Zins noch der stillschweigende Grundsatz bestanden, daß ein Drittel aller Schausteller aus dem Großraum Düren kommen sollte, so orientierte sich Grundmann beim Zuschlag einzig und allein an dem zu erwartenden Umsatz, nach dem die Stadt unter anderem ihren Finanzanteil beanspruchen konnte.
     
     
    Diese von den kommunalen Politikern angesichts der leeren Haushaltskassen unterstützte Vorgehensweise hatte der Kirmes auf eine Art gutgetan, wie Bahn eingestehen mußte. Denn jetzt kamen auch die attraktiven Fahrgeschäfte nach Düren, die viel Raum benötigten. Sie nahmen den Platz ein, auf dem früher die kleinen, mit der Zeit überholten einheimischen Kirmesbuden gestanden hatten.
     
     
    Zugleich aber hatte die Annakirmes etwas von ihrem Charme verloren. Es war größer, schneller, lauter, eben moderner auf dem Rummel geworden.
    Die normalen Kirmesbesucher hatten das Umdenken nicht einmal miterlebt. Bahn und die Fachleute hingegen hatten die Veränderung zu mehr Show und weniger Volkstümlichkeit schon bemerkt. Bis vor wenigen Jahren waren die Schausteller und die ständigen Kirmesbeobachter noch eine Familie gewesen, da fühlte sich Bahn noch unter Brüdern. Doch inzwischen waren die familiären Bande zum größten Teil zerrissen.
    Bei dem Treffen im Rathaus machte der Vertreter der heimischen Schausteller gute Miene zum bösen Spiel. Er freue sich, daß es der Stadt wieder gelungen sei, eine tolle Kirmes auf die Beine zu stellen, lobte Franz Meier, der Vorsitzende der Dürener Schaustellervereinigung, pauschal, um anschließend über die Sorgen und Nöte der kleineren Kirmesbeschicker zu klagen. Man werde an den Rand gedrängt.
    Doch ging diese Klage unter in der Ankündigung der neuen Attraktionen. Erstmals sollte es eine Achterbahn mit einem Fünffach-Looping geben, den sogenannten Olympia aus München. Und direkt nebenan, am Kopf des Kirmesplatzes, sollte sich ein vollkommen neues Fahrgeschäft in Düren präsentieren: eine Wasserbahn, bei der als krönender Abschluß aus fast dreißig Metern Höhe die Wagen steil in ein Wasserbecken hineinrutschten. Die Konstruktion sei vollkommen neu.
     
     
    Bahn hatte während der Vorstellung der einzelnen Fahrgeschäfte durch die Runde der Gesprächsteilnehmer geblickt. Neben den bekannten Gesichtern aus der Verwaltung und den Kollegen von DZ und DN, den Wochenblättern und Radio Rur erkannte er nur noch wenige altvertraute Gesichter. Eine neue Schaustellergeneration machte sich daran, das Kirmesgeschäft zu übernehmen, mehr Manager als Leute vom Rummel.
    Das ist wohl der Lauf der Zeit, dachte sich Bahn. Die alten Schausteller waren mit Zins alt geworden und hatten jetzt abgedankt. Andere machten mit neuen Ideen und neuem
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