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Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt

Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt

Titel: Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt
Autoren: Sue Grafton
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Geduldig sah er mir zu, bis ich unten angelangt war. Wahrscheinlich sah er lieber mich an als Marty. Allerdings schien es ihn nicht weiter zu stören, dass die Leiche nicht weggeschafft worden war.
    Er lächelte verhalten. »Guter Versuch. Fast hätten Sie mich drangekriegt. Ich dachte, Sie seien in die andere Richtung gelaufen...«, sagte er und reichte mir meinen Schuh. Ich verschnaufte, lehnte mich gegen die Wand und zog ihn an.
    Er nahm mich am Ellbogen und zog mich durch den Lastenaufzug in den Flur. Er hatte Recht. Es war fast vorbei, also hatte es keinen Sinn, meinen Hals zu riskieren. Schließlich hatte das alles nichts mit mir zu tun. Ich ging in die Hocke und ließ mir Zeit beim Binden meines Schuhs. Beck verlor zwar langsam die Geduld, aber ich wollte nicht mit offenen Schnürsenkeln losmarschieren. Erneut packte er mich am Ellbogen und führte mich um die Ecke zu den öffentlichen Aufzügen. Seine Aktentasche hatte er im Flur stehen lassen. Nun hob er sie auf und drückte mit dem Knöchel seines Zeigefingers den Rufknopf. Der Aufzug musste schon bereitgestanden haben, da die Türen sofort aufgingen. Wir stiegen ein, und Beck drückte auf Erdgeschoss. Wie zwei Fremde standen wir an der Rückwand, den Blick auf die digitale Anzeige gerichtet, während wir nach unten fuhren. Kurz erlaubte ich mir die Hoffnung, dass ich beim Aufgehen der Tür Polizisten mit schussbereiten Waffen vor mir sehen würde, die Beck verhaften und dem ganzen Spuk ein Ende machen würden.
    Abgesehen von Willard, der an seinem Tresen saß, war die Halle leer. Der Brunnen in der Mitte rauschte wie eine Toilette. Meine Blase war so voll, dass ich ein Diagramm von ihrer Form und ihrem Umfang hätte zeichnen können. Vor den hohen Fensterscheiben lag der Gehweg im Dunkeln, und es war kein Mensch zu sehen. Die Geschäfte auf der anderen Seite waren geschlossen. Willard stand da und überwachte seine zehn Monitore. Er streckte den Arm aus und schnippte hektisch mit den Fingern. Beck und ich durchquerten die Halle und gingen um das Ende von Willards Tresen herum. Er deutete mit dem Finger auf etwas. Das Bild auf einem der Schwarzweißmonitore zeigte die Tiefgarage. Reba fuhr mit meinem Käfer die Rampe hinunter und bog rechts ab, ehe der Wagen aus unserem Blickfeld verschwand. Ein paar Minuten später sahen wir sie den Wartungskorridor eine Etage tiefer betreten. Sie brauchte beide Hände, um die Reisetasche herauszuhieven, die sichtlich schwer war. Sie stellte sie mühsam auf dem Boden ab und hob den Blick zu der in der Ecke montierten Überwachungskamera. »Hey, Beck?« Ihre Wange war geschwollen von dem Hieb, den sie verpasst bekommen hatte, ihre Lippen dick und das eine Auge blau. Ihre Nase wirkte, als sei sie am Rücken platt gedrückt worden.
    Wartend sah sie zu uns auf.
    Willard reichte Beck den Hörer des Telefons auf seinem Tresen. Nachdem er einen Knopf gedrückt hatte, hörten wir das Wandtelefon im Wartungskorridor läuten. Reba nahm ab, den Blick weiterhin auf die Kamera gerichtet.
    »Hey, Baby«, sagte Beck. »Wie läuft’s denn so bei dir?« Ein Nachäffen ihres früheren Grußes.
    »Spar dir die Witzchen, Beck. Willst du das Ding haben oder nicht?«
    »Zeig’s mir zuerst.«
    Sie ließ den Hörer so abrupt fallen, dass er gegen die Wand knallte und an seinem Spiralkabel auf und ab hüpfte. Beck riss den Kopf nach hinten und knurrte einen Fluch. Unten bückte sich Reba und zog die Reisetasche auf. Der Computer war deutlich zu sehen.
    »Und die Disketten?«
    Sie öffnete eine Seitentasche und nahm eine Hand voll Disketten heraus, schätzungsweise etwa zwanzig. Sie hielt sie mit der Vorderseite in die Kamera, damit er die Beschriftung lesen konnte, die er vermutlich selbst angebracht hatte. »Okay. Sieht gut aus«, sagte er.
    Sie steckte die Disketten wieder in die Tasche und machte sie zu. »Bist du jetzt zufrieden, du Arschloch?«
    »Ja. Danke der Nachfrage. Komm rauf in die Halle und benimm dich. Kinsey steht hier direkt neben mir, falls du irgendwelche schlauen Mätzchen probieren willst.«
    Reba zeigte ihm den Vogel. Weiter so, Mädchen, dachte ich. Das würde ihm bestimmt imponieren.
    Ich sah zu Willard hinüber. »Wollen Sie einfach nur so dastehen?«
    Keine Reaktion. Vielleicht war Willard gestorben, und es hatte nur niemand daran gedacht, es zu erwähnen. Am liebsten hätte ich ihm mit der Hand vor den Augen herumgewedelt, um zu sehen, ob er blinzeln würde.
    Der Lastenaufzug langte in der Halle an, die Türen gingen
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