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Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt

Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt

Titel: Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt
Autoren: Sue Grafton
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den Ohren gelaufen und an seinem Hemdkragen geronnen. Unwillkürlich stieß ich einen Laut aus und riss den Kopf herum, um den Anblick auszublenden. Schmerz durchzuckte mich, als hätte man mich mit einem Elektroschocker attackiert. Meine Handflächen wurden schlagartig feucht, und eine Hitzewelle stieg in mir auf. Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Kopf wich und meine Beine nachgaben. Der Typ mit der Augenbinde fing mich auf und hielt mich kurz fest. Beck drückte einen Knopf, und die Tür zum Zählraum glitt wieder zu.
    Meine Beine waren wie Gummi, als ich zu Becks Büro geführt wurde, wo ich auf die Couch sank und die Hände vors Gesicht schlug. Das Bild von Marty war wie ein Foto, das ich nun als Negativ sah, hell und dunkel vertauscht. Über meinem Kopf fand ein Gespräch statt — Beck instruierte die beiden Typen, die Leiche fortzuschaffen und zu entsorgen. Bestimmt würden sie Marty im Lastenaufzug ins Erdgeschoss transportieren und ihn von dort aus durch den Wartungskorridor in die Tiefgarage bringen. Dann würden sie ihn in den Kofferraum seines eigenen Wagens stecken und seine Leiche irgendwo am Straßenrand abladen. Seltsam, so seltsam. Ich hatte dieses Ende, diesen Tod, in seinen Augen gesehen, doch ich war unfähig gewesen, etwas dagegen zu unternehmen.
    Mein Blickfeld schnurrte zusammen und drohte ganz auszufallen. Von den Rändern her wurde es dunkel, während ich so ein merkwürdiges Gefühl — eine Art Rauschen — in den Ohren hatte, das mir sagte, dass ich kurz davor war, in Ohnmacht zu fallen. Ich steckte den Kopf zwischen die Knie und atmete konzentriert. Binnen einer Minute wurde die Luft kühler, und die Dunkelheit wich zurück. Als ich aufblickte, waren die beiden Schläger verschwunden, und Beck saß an seinem Schreibtisch. »Tut mir wirklich Leid. Aber es ist nicht so, wie Sie denken. Er hatte einen Herzinfarkt.«
    »Auf jeden Fall ist er tot, und Sie sind daran schuld«, erwiderte ich.
    »Reba hatte auch ihren Anteil daran.«
    »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Sehen Sie sich doch an, was sie gemacht hat. Wir haben eine Abmachung getroffen, und sie erscheint mit einem leeren Koffer. Was bildet sie sich denn ein — dass sie mich einfach ungestraft übers Ohr hauen kann?«
    »Sie hat den Computer nicht gestohlen. Marty hat ihn mitgenommen, als er sich abgesetzt hat.«
    »Es ist mir scheißegal, wer ihn genommen hat. Sie hätte ihn nur zurückzugeben brauchen, dann könnte Marty noch am Leben sein. Es war der Stress, der ihn umgebracht hat. Ein paar harmlose Ohrfeigen, und schon war er weg.«
    Ich konnte mit dem Mann nicht streiten. Er war derart von sich überzeugt, und sein Denken war so bizarr. Wo sollte das alles enden? Das Kräftemessen zwischen den beiden war völlig außer Kontrolle geraten, und die Sache konnte lediglich weiter eskalieren. Beck hatte die Oberhand. Daran gab es nichts zu rütteln. Er hatte mich.
    Er lächelte verhalten. »Sie hoffen, dass Reba die Polizei ruft, doch das tut sie nicht. Wissen Sie, warum? Weil das keinen Spaß machen würde. Sie ist eine Spielerin. Sie wettet gern gegen das Haus. Die arme Kleine ist nicht annähernd so schlau, wie sie gern wäre.«
    »Über diesen Quatsch will ich gar nicht reden. Das können Sie unter sich ausmachen.«
    »Machen wir bestimmt.«
    Wir saßen beide da und warteten darauf, dass das Telefon klingelte. Ich hatte meine Spekulationen darüber aufgegeben, was er oder sie wohl tun würde. Meine Aufgabe war es, für mich selbst zu sorgen. Dummerweise war ich müde und schrammte ständig am Rand einer Panikattacke entlang. Die Angst ließ meine Hände zittern, und es fiel mir schwer, meine Gedanken zu kontrollieren. Beck schaukelte auf seinem Drehstuhl nach hinten und spielte mit einem Briefbeschwerer, den er von einer Hand in die andere warf.
    An einer Wand standen mehrere Pappkartons, allesamt ordentlich zugeklebt und versandfertig. In Becks Büro herrschte Chaos — die Regale waren halb leer, und auf seinem Schreibtisch lagen mehrere voll gestopfte Aktenordner. Es sah aus, als habe er alles gepackt und sei bereit zur Abreise. Kein Wunder, dass er seinen Computer und seine Disketten unbedingt wiederhaben wollte. Die Disketten und seine Festplatte enthielten sein gesamtes Unternehmen, jeden Cent, den er besaß, alles Geld, das er aus dem Land geschleust hatte, sämtliche Scheinfirmen und panamaischen Bankkonten. Es war nicht seine Stärke, Zahlen oder Daten im Gedächtnis zu behalten. Er musste alles schriftlich vorliegen
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