Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kindersucher - Kriminalroman

Kindersucher - Kriminalroman

Titel: Kindersucher - Kriminalroman
Autoren: Paul Grossman
Vom Netzwerk:
die legendäre amerikanische Sängerin vom Folies Bergère in Paris, wo sie üblicherweise auftrat, auf die Bühne; zwei miteinander konkurrierende Scheinwerfer zuckten über ihre glänzenden schwarzen Haare, die sich in großen Schmachtlocken auf ihre Wangen legten. Ihre Brüste wurden von bunten Seemuscheln gehalten, und um die Taille trug sie ihren berühmten Bananenrock; jede einzelne Frucht ragte unmissverständlich hoch und hüpfte wild, während sie ihren berühmten »Dschungeltanz« aufführte. Anders als bei den Tiller-Girls schien jedes Gelenk in Bakers Körper einen eigenen Willen zu besitzen; Hüfte, Handgelenke, Knöchel, Beine, alles bewegte sich in unterschiedliche Richtungen, als hingen sie überhaupt nicht miteinander zusammen. Selbst ihre Augäpfel schienen in ihrem Kopf zu kreisen. Nicht einmal die zurückhaltendsten Zuschauer vermochten ihr zu widerstehen, und als sie schließlich fertig war, erhob sich das ganze Haus, um die dunkle Göttin mit einem Sturm aus Ehrfurcht und Bewunderung zu ehren.»Davon können wir jedenfalls noch unseren Enkeln erzählen.« Vicki schob sich unter Kraus’ Arm, als sie in die glitzernde Menge eintauchten, die aus dem Hof strömte. »Die Nacht, in der wir Josephine Baker im Admiralspalast gesehen haben.«
    Über die belebte Friedrichstraße fegte der Wind vom Fluss her. Die Reihe von Taxen erstreckte sich fast bis zur Weidendammer Brücke. Es war wirklich verrückt, dass sie nichts Wärmeres mitgenommen hatte als einen dünnen Seidenschal. Aber trotz der Wettervorhersage hatte sie nicht glauben wollen, dass die Temperaturen wirklich so schnell fallen würden. »Darf ich dein Dinnerjackett haben, Liebling?«, musste sie ihn bitten.
    »Entschuldige.« Kraus riss es sich fast vom Leib. »Ich war abgelenkt ...«
    ... von dem Jutesack. Er hatte über den Faden nachgedacht, der benutzt worden war, um diese Knochen zusammenzubinden. Auf den ersten Blick hatte er ausgesehen wie Tierdarm. Hoffnung hatte ihm versichert, dass das Labor die genaue Herkunft bestimmen könnte. Aber so etwas brauchte Zeit.
    Vicki hatte sich Kraus’ Jackett übergeworfen, stellte sich in ihren blauen Seidenpumps auf die Zehenspitzen und schüttelte ihren Pony zurück. Die Perlen an ihrem Kleid klimperten, als sie ihm ihre Lippen ans Ohr legte. »Diese Show hat mich ganz schön in Fahrt gebracht.« Ihre Augen funkelten anzüglich. Sie waren jetzt fast zehn Jahre verheiratet, aber Kraus dankte immer noch seinem Glücksstern für diese Frau.
    Bedauerlicherweise strömten die Leute jetzt nicht nur aus dem Admiralspalast, sondern auch aus den Vorstellungen im Wintergarten gegenüber und dem Metropol etwas weiter unten auf der Straße. Nicht ein einziges freies Taxi war zu sehen. Nach einer Weile zitterte Vicki wieder vor Kälte, und er fühlte sich irgendwie wie ein Versager. Er hätte wirklich den Opel nehmen sollen.
    Plötzlich tauchte ein offenes, schwarzes Sportcabriolet nebenihnen wie eine Erscheinung aus der Zukunft auf. »Alles in Ordnung?« Dr. von Hesslers silberne Augenklappe glitzerte hinter dem übergroßen Lenkrad. »Oder sitzen Sie hier fest?« Es war der neue Mercedes SSK, der meistdiskutierte Wagen in Deutschland. Laut der Sonntagsbeilage war dieses 1930er Modell ein »Rembrandt aus Stahl und Gummi«. Nur vierzig Exemplare hatten die Fertigungshalle verlassen, die letzten einer ganzen Reihe von Fahrzeugen, die von dem brillanten Ferdinand Porsche für Mercedes-Benz entworfen worden waren. Danach hatte er Mercedes verlassen, um seine eigene Firma zu gründen. Der Wagen hatte eine revolutionäre Silhouette, die stromlinienförmig genannt wurde. Geschwungen, niedrig und schlank wie ein Geschoss sah der Wagen fast aus, als könnte er auch genauso schnell fliegen. Zusammen mit dem Luftschiff Graf Zeppelin, dem Dornier-Flugboot und der gigantischen neuen Bremen, dem schnellsten Ozeanriesen der Welt, war der SSK einer der Gründe, warum die Deutschen im Augenblick die Köpfe ein wenig höher trugen.
    »In welche Richtung müssen Sie denn?«, erkundigte sich der Doktor.
    Willi machte eine abwehrende Handbewegung, als wäre es auf halbem Weg zum Mars. »Wilmersdorf.«
    »Liegt in meiner Richtung.« Von Hessler ließ die 6,8-Liter-Maschine aufheulen. »Ich wohne in Grunewald.« Als er ihr Zögern spürte, wurde er ungeduldig. »Zwingen Sie mich nicht dazu, meine höhere gesellschaftliche Stellung zu benutzen.« Auf seine unnachahmliche Art wollte er sie anscheinend wissen lassen, dass sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher