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Kinderfrei

Kinderfrei

Titel: Kinderfrei
Autoren: Nicole Huber
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nicht die Gruppe der Erwerbsfähigen, sondern die der tatsächlich Erwerbstätigen, denn diese erwirtschaften das Vermögen, von dem nicht nur die Jungen und Alten, sondern auch die nicht arbeitende Bevölkerung innerhalb der Gruppe der Erwerbsfähigen versorgt werden müssen. Auch hier war, bezogen auf die Versorgung der Alten und Jungen, der Belastungsquotient bereits in den vergangenen Jahrzehnten recht hoch und wird auch zwischen 2030 und 2050 den Wert von 1970 nur geringfügig überschreiten.
    Ein anderer Bereich, in dem explodierende Kosten befürchtet werden, ist die Gesundheitsversorgung. Aufgrund der höheren Lebenserwartung, so wird argumentiert, wird eine höhere Anzahl länger lebender Versicherter auch höhere Kosten verursachen, gerade durch typische Alterskrankheiten wie z. B. Demenz, deren Ausbruch die Menschen früher angeblich gar nicht erst erlebten. Dem lässt sich entgegnen, dass die wirklich hohen medizinischen Kosten in den meisten Fällen erst in den letzten Monaten vor dem Tod anfallen – und das bei sehr alten Patienten in deutlich geringerem Ausmaß als bei jüngeren, weil die besonders teuren intensivmedizinischen Maßnahmen letztlich weniger stark zum Einsatz kommen als bei jüngeren Patienten. Dennoch, das ist richtig, die Gesundheitskosten steigen durch die Alterung der Bevölkerung, aber lange nicht in dem prophezeiten gravierenden Ausmaß. Für Großbritannien hat dies ein Bericht des Institute of Public Policy Research ausdrücklich bestätigt: Es bestehe nur eine »geringe Korrelation zwischen Alterung und einem Anstieg der Gesundheitskosten«. Und in einer Studie zu Gesundheitskosten fand Professor Raymond Tallis von der Universität Manchester heraus, dass die Gesamtdauer der stationären Behandlung von Menschen, die mit 90 verstorben sind, nur etwa zweimal so hoch war wie die von Patienten, die im Alter von 45 verstarben. Außerdem lebten der Studie zufolge 80% der über 85-jährigen Männer zu Hause und versorgten sich selbst, ohne Pflegedienste oder sonstige Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Auch die Häufigkeit von Behinderungen in höherem Alter geht laut Professor Tallis zurück. In den 1980er-Jahren wurde gern vorhergesagt, dass sich die Anzahl von Schlaganfällen innerhalb von 20 Jahren um 28% erhöhen würde. Stattdessen ist die Anzahl der Schlaganfälle bis 2004 um 29% zurückgegangen. 124
› Hinweis
Fazit: Die Menschen leben nicht nur länger, sie leben häufig länger gesund und selbstständig. Im Übrigen darf nicht vergessen werden, dass durch die niedrigen Geburtenzahlen umgekehrt auch Kosten für Schwangerschaften, Geburten und die medizinische Versorgung von Kindern eingespart werden. Doch das nur anbei.
    Wie man sieht, ist die durch einen höheren Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung verursachte zusätzliche Kostenbelastung längst nicht so dramatisch wie befürchtet, fast möchte man sagen »wie angedroht«. Allein durch Produktivitätssteigerungen lassen sich diese Kosten mühelos schultern. Selbst eine niedrige Produktivitätssteigerung von 1,25% – sogar in den wirtschaftlich schlechten 1990er-Jahren wurde eine Steigerung von 1,5% erreicht – würde bis 2050 zu einer Zunahme der wirtschaftlichen Gesamtleistung um 84% führen. Was das bedeutet, führt Gerd Bosbach in seinem Aufsatz »Demografische Entwicklung – kein Anlass zur Dramatik« anhand eines Rechenbeispiels plastisch vor: »Erhält heute ein Arbeitnehmer inkl. Sozialversicherungsanteil des Arbeitgebers 3000 Euro, so zahlt er etwa 600 Euro (20%) für Rentner. Es verbleiben ihm also 2400 Euro. Nach der niedrigeren Annahme der Produktivitätssteigerung um 1,25% würden aus den 3000 Euro inflationsbereinigt 50 Jahre später 5583 Euro. Bei einer Steigerung des Abgabesatzes für Rentner auf 30% verblieben dem Arbeitnehmer immerhin noch satte 3908 Euro (plus 63%). Selbst bei einer völlig unrealistischen Verdopplung des Beitrags auf 40% Rentenversicherung verblieben dem Arbeitnehmer mit 3350 Euro noch 40% mehr als heute.« 125
› Hinweis
Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Arbeitnehmer tatsächlich ihren Anteil an der gestiegenen Produktivität erhalten, dass also die Entwicklung der Löhne und Gehälter nicht wie in den letzten Jahren von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung abgekoppelt wird.
    Zusätzliche Leistungen wären sicherlich zu erwirtschaften, wenn durch einen Abbau von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung die Anzahl der Erwerbstätigen, vor allem der älteren
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