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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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vorgesehen.« Branco rief einem der Männer etwas zu, und der Soldat stampfte laut und prüfend auf den Dielen umher. Die Suche nach Hohlräumen begann.
    »Deine Tochter ist neugierig und vorwitzig«, wandte er sich wieder an Janja. »Das hat sie von dir.«
    »Sie wünscht sich, eine Janitscharin zu sein«, gab sie stolz lächelnd zurück – und erschrak, als sie sah, wie sich seine Augenbrauen zusammenzogen. Ihre Linke zuckte an ihren Hals und berührte die silberne Amuletthälfte, die dort an einem di cken Faden hing. »Sie ist gelegentlich ein schrecklicherWirbelwind«, sagte sie schnell, »und auch, wenn sie dann und wann ihre Fäuste ballt, sind doch ihre Stärken das Tanzen und Singen. Das Kämpfen überlassen wir den Männern.«
    »Dann ist sie in einigen Jahren etwas für den Harem des Sultans«, sagte Branco nachdenklich. »Sie ist jetzt schon sehr hübsch. Ich werde ein Auge auf die Kleine haben.«
    Janja schluckte. Nun gab es durch ihre eigene Schuld doch etwas bei ihr zu holen!
    »Was ist ein Harem?«, hörte sie ihre Tochter fragen.
    »Ein Ort, an dem hübsche junge Prinzessinnen ein gutes Leben führen. Du wirst vielleicht die Frau des Sultans, des mächtigsten Mannes der Welt«, erklärte der Janitschar und bedachte sie mit einem etwas freundlicheren Blick, dann deutete er mit einer ausholenden Geste in den Raum. »Du wirst in weichen Betten aus reiner Seide schlafen, in wunderschönen Brunnen baden, deine Haut wird mit Milch und Honig gepflegt. Es gibt jede Speise, die du dir vorstellen kannst, und Konfekt, so viel du möchtest. Kein Wunsch wird dir abgeschlagen werden. Du wirst die Gebieterin in einem Palast sein und nicht wie hier«, in seine Stimme mischte sich wieder die alte Verachtung, »gefangen in einer alten, heruntergekommenen Hütte, die einmal ein Pferdestall gewesen ist.«
    Jitka hing förmlich an den Lippen des Mannes. Ihre dunkelgrauen Augen leuchteten auf, und sie klatschte begeistert in die Hände; dabei rutschten die Ärmel ihres Kleides nach oben. »Das klingt wundervoll!«
    Janja erstarrte. Das tropfenförmige, feuerrote Mal auf dem linken Unterarm war zum Vorschein gekommen. Jitka musste das Lederarmband, das sie normalerweise darüber trug, vergessen haben.
    Branco sah es sofort, das Rot schien aus reiner Bosheit aufzuleuchten. »Was ist denn … Hat sie das von Geburt an? Dieses Zeichen?«
    »Jitka, ich sagte, du sollst hinausgehen«, sprach Janja mit schneidender Stimme zu ihrer Tochter, beugte sich vor und stieß sie hinter sich. »Branco …«
    Er hob die Hand, die Kettenglieder klirrten. »Mein Name ist schon lange nicht mehr Branco. Ich heiße Mohammad und folge den Gesetzen des Korans und dem Wort des Propheten«, wies er sie harsch zurecht. »Was ist mit dem Zeichen auf ihrem Arm? Das ist kein Brandfleck, sondern das, was man ein Versprechen über den Tod hinaus nennt.« Er kam drohend auf sie zu. »Ist es so? Gib es ruhig zu. Ich kenne die alten Legenden von früher.«
    Janja versuchte, ihre Angst zu unterdrücken. »Dann bitte ich dich der alten Zeiten wegen: Vergiss, was du hier gesehen hast, und …«
    »Deine Sorge ist unbegründet«, unterbrach er sie und stand nun direkt vor ihr. Leiser, aber mit lauerndem Unterton setzte er hinzu: »Wenn du mir sagst, wer wirklich ihr Vater ist.«
    »Radomir.«
    »Die
Wahrheit
, Weib!«
    Keiner wich dem Blick des anderen aus. Für einen kurzen Moment schien die Zeit stillzustehen – bis zwischen ihnen ein Wassertropfen hindurch und zu Boden fiel. Der Janitschar hob sichtlich erstaunt die Augen und entdeckte einen nassen Fleck an der groben, von Rissen durchzogenen Decke. Die Stelle drumherum war nicht vollgesogen und aufgequollen, was bedeutete, dass sich die Feuchtigkeit noch nicht lange dort befand.
    »Wie gelange ich unters Dach?«
    Janja hatte das Wasser über ihrem Kopf auch eben erst bemerkt. »Ich verstehe nicht …«
    Er stieß sie mit einer schnellen Bewegung aus dem Weg und riss gleich danach den Arm mit dem Schild nach oben; der Rand krachte gegen die Bohlen.
    Der erschrockene Aufschrei aus dem Raum darüber wurde von allen vernommen.
    Mohammad brüllte etwas auf Türkisch und zog den Krummsäbel, von draußen wurde sogleich geantwortet. Zwei seiner Soldaten packten Janja, während die anderen den Tisch unter die Stelle schoben, hinaufkletterten und mit ihren Säbeln durch die Ritzen stachen.
    »Lasst mich!« Janja riss sich los und stürzte, dann kroch sie rückwärts zu Jitka hinüber. Das Kind musste in Sicherheit
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