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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme
Autoren: George R.R. Martin
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Namen. An die rothaarige Anni von Culhall, Foster, der später das Fliegen aufgab, weil er zu fett wurde, Jamis, den Senior, und besonders an einen mit dem Spitznamen Rabe, ein junger Angeber, stets in schwarzes Fell und schwarze Metallfolie gekleidet, der den Fliegerwettstreit schon dreimal für die Östlichen Inseln gewonnen hatte. Auch konnte sie sich an eine schlanke Blondine von den Äußeren Inseln erinnern. Ihr zu Ehren hatte das Fest stattgefunden, denn es geschah selten, daß jemand von so weit herkam.
    Alle hatten Maris begrüßt, und bald war es ihr vorgekommen, als kümmerten sich alle nur um sie. Obwohl sie damals noch so jung gewesen war, hatten sie ihr Wein zu trinken gegeben, und sie hatte mit ihnen singen müssen. Dann hatten sie ihre Fliegergeschichten zum besten gegeben. Die meisten davon hatte sie gekannt, aber sie hatte sie noch nie von den Fliegern selbst gehört. Später, als sie gespürt hatte, daß sie dazugehörte, ließ man wieder von ihr ab, und das Fest ging seinen normalen Gang.
    Es war ein fremdartiges, unvergeßliches Fest gewesen, und ganz besonders ein Ereignis hatte sich in ihr Gedächtnis gegraben. Rabe, der als einziger von den Östlichen Inseln stammte, hatte eine Menge Sticheleien zu hören bekommen. Als ihm dann der Wein in den Kopf gestiegen war, hatte er sich zur Wehr gesetzt. „Ihr nennt euch Flieger“, hatte er in einem herausfordernden Ton gesagt, den Maris nicht vergessen würde, „los, kommt mit. Ich zeige euch, was ein richtiger Flieger kann.“
    Die ganze Gesellschaft war auf die Sprungklippe, die höchste von allen, hinausgegangen. Sechshundert Fuß fiel sie senkrecht ab, bis ganz unten die Felsen wie Raubtierzähne aus dem Wasser ragten. Rabe war mit zusammengefalteten Flügeln auf den Sims getreten. Dort hatte er die ersten drei Abschnitte eines jeden Flügels geöffnet und sie an den Armen festgeschnallt, ohne jedoch die Streben zu arretieren. Die Flügelgelenke hatten sich bei jeder seiner Bewegungen bewegt. Die anderen, noch nicht ausgebreiteten Abschnitte hatte er mit den Händen festgehalten.
    Maris hatte nicht geahnt, was er machen wollte, aber sie hatte es kurz darauf erfahren. Er hatte einen Anlauf genommen und war mit einem gewaltigen Satz von der Klippe gesprungen, ohne die Flügel zu entfalten.
    Sie hatte geschrien und war an den Klippenrand gelaufen. Die anderen waren gefolgt, einige blaß, andere grinsend. Dorrel hatte neben ihr gestanden.
    Rabe war wie ein Stein in die Tiefe gefallen, die Arme an den Körper gelegt. Seine Flügel hatten sich wie ein Cape aufgebauscht. Kopfüber war er in die endlose Tiefe gestürzt.
    Dann, im letzten Augenblick, als er die Felsen fast erreicht hatte -als sie schon den Aufprall zu spüren glaubte –, hatten plötzlich seine Silberflügel im Sonnenlicht aufgeblitzt. Flügel aus dem Nichts. Der Wind hatte sich darin verfangen, und Rabe war dahingeglitten.
    Maris war tief beeindruckt gewesen. Aber Jamis, der Senior, hatte nur gelacht. „Rabes Kunststück“, hatte er abwertend kommentiert. „Ich habe ihm schon zweimal dabei zugesehen. Er ölt seine Flügelgelenke sorgfältig. Wenn er tief genug gefallen ist, öffnet er die Flügel mit größtmöglichem Ruck. Sobald eines der Gelenke eingerastet ist, gibt es den Impuls an die nächsten weiter. Sieht großartig aus. Er hat sicherlich lange geübt, bevor er den Trick der Öffentlichkeit vorgeführt hat. Aber eines Tages wird sich etwas verklemmen, und wir sind von seinem Gerede erlöst.“
    Seine Worte hatten den Zauber jedoch nicht zerstören können, Maris hatte schon oft Flieger gesehen, die ungeduldig die fast geöffneten Flügel über den Kopf gehoben und mit einem Ruck ganz ausgespreizt hatten. Das war meist geschehen, wenn die Helfer am Sprungfelsen zu langsam gearbeitet hatten. Aber gegen Rabes Kunststück war das nichts gewesen.
    Als sie ihn später an der Landekuhle abgeholt hatten, hatte er nur herablassend gelächelt. „Wenn ihr das könnt“, hatte er sie herausgefordert, „könnt ihr euch Flieger nennen.“ Gewiß, Rabe war ein arroganter, leichtsinniger Bursche gewesen, aber von diesem Moment an hatte Maris jahrelang geglaubt, wahnsinnig in ihn verhebt zu sein.
    Traurig schüttelte sie den Kopf und trank den letzten Kivas. Das alles schien jetzt so albern. Rabe war zwei Jahre nach dem Fest gestorben, einfach spurlos verschwunden. Jedes Jahr starben ein Dutzend Flieger und nahmen ihre wertvollen Flügel mit ins Grab. Die einen stürzten durch Ungeschick
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