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Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte
Autoren: Robert Silverberg
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Waffen und haben die Instrumente der Kommunikation und des Verkehrs in der Hand.«
    »Aber warum? Warum?«
    »Es gibt keine andere Wahl. Alpha Fileclerk. Wir hatten unser Vertrauen in Krug gesetzt, und Krug hat unsere Hoffnungen enttäuscht. Jetzt schlagen wir zurück, gegen jene, die uns verspottet haben. Gegen jene, die uns ausgebeutet haben. Gegen ihn, der uns geschaffen hat. Und wir treffen ihn da, wo er am verwundbarsten ist, indem wir den Turm zu Fall bringen.«
    Fileclerk schaute an Watchman vorbei zum Turm. Auch Watchman drehte sich um. Das Schwanken war jetzt mit dem bloßen Auge wahrnehmbar.
    Heiser sagte Fileclerk: »Es ist noch nicht zu spät, die Gefrieranlage wieder einzuschalten. Wollen Sie nicht doch noch Vernunft annehmen? Es bestand keine Notwendigkeit für diese Revolte. Wir hätten uns mit ihnen geeinigt. Watchman, Watchman, wie kann jemand mit Ihrer Intelligenz ein solcher Fanatiker sein? Wollen Sie die Welt vernichten, weil euer Gott, den ihr euch selbst zurechtgebastelt hattet, euch jetzt im Stich läßt?«
    »Ich finde, es ist Zeit, daß Sie hier verschwinden«, sagte Watchman.
    »Nein. Die Überwachung des Turmes ist meine Verantwortlichkeit. Wir haben einen Kontrakt.« Fileclerk wandte sich an die umstehenden Androiden. »Freunde!« rief er. »Alpha Watchman ist verrückt geworden! Er zerstört den Turm! Ich bitte euch um eure Hilfe! Ergreift ihn, haltet ihn zurück, während ich in das Kontrollzentrum gehe und die Gefrieranlage wieder in Ordnung bringe! Haltet ihn zurück, oder der Turm wird stürzen!«
    Keiner der Androiden rührte sich.
    Watchman sagte: »Führt ihn weg, Freunde.«
    Die Androiden traten auf Fileclerk zu, umringten ihn. »Nein«, brüllte Fileclerk. »Hört auf mich! Das ist Wahnsinn! Das ist wider die Vernunft! Das ist…«
    Ein gedämpfter Laut stieg aus der Mitte der Gruppe. Watchman lächelte und wandte sich wieder dem Kontrollzentrum zu. Lilith sagte: »Was werden sie mit ihm machen?«
    »Ich habe keine Ahnung. Ihn töten, vielleicht. Die Stimme der Vernunft wird immer erstickt in Zeiten wie diesen«, sagte Watchman. Er richtete seinen Blick auf den Turm. Er neigte sich schon deutlich nach Osten. Wolken von Dampf entstiegen der Tundra. Er sah Blasen im Schlamm auf der Seite, wo die Streifen den Boden erhitzten. Eine Nebelbank bildete sich dicht über dem Boden, wo die arktische Kälte mit der aus der Tundra aufsteigenden Wärme zusammenstieß. Watchman hörte saugende Geräusche in der Erde und seltsame schmatzende Laute: Schlamm, der sich von Schlamm löste. Wie groß ist die Abweichung des Turms von der Senkrechten, fragte er sich. Zwei Grad, drei? Wie weit muß er sich neigen, bis der Schwerpunkt sich so weit verschoben hat, daß das ganze Ding sich selbst aus dem Boden reißt?
    »Schau«, sagte Lilith plötzlich.
    Eine andre Gestalt kam aus dem Transmat gestolpert: Manuel Krug. Er trug das Kostüm eines Alphas – meine Kleider, erkannte Watchman – doch diese Kleider waren zerrissen und blutbefleckt, und die durch die Risse sichtbare Haut zeigte tiefe Schnitte. Manuel schien die Kälte nicht zu spüren. Er rannte auf sie zu mit weit aufgerissenen Augen, von Entsetzen geschüttelt.
    »Lilith? Thor? Gott sei Dank! Ich habe überall versucht, ein freundliches Gesicht zu finden. Ist die Welt verrückt geworden?«
    »Sie sollten sich wärmer anziehen für diese Breitengrade«, sagte Watchman ruhig.
    »Das ist jetzt gleichgültig. Hört, wo ist mein Vater? Unsere Androiden haben revoltiert, Clarissa erschlagen. Sie haben sie vergewaltigt. Sie in Stücke gehackt. Ich bin gerade noch davongekommen. Und wohin ich gehe… Thor, was geschieht? Was geschieht?«
    »Sie hätten Ihrer Frau kein Leid antun sollen«, sagte Watchman. »Ich drücke Ihnen mein Bedauern aus. Das war unnötig.«
    »Sie war eure Freundin«, sagte Manuel. »Sie gab heimlich Geld für die AGP, wußtet ihr das? Und… und… großer Gott; ich verliere den Verstand. Der Turm steht schief.« Er blinzelte und drückte mehrere Male die Daumen gegen seine Augäpfel. »Er scheint sich immer weiter zu neigen. Er wird umkippen! Wie kann das sein? Nein. Nein. Ich werde verrückt. Gott helfe mir. Aber du bist wenigstens hier, Lilith! Lilith!« Er griff nach ihr. Er zitterte. »Mir ist kalt, Lilith. Bitte, halte mich. Führe mich irgendwo hin. Nur wir zwei. Ich liebe dich, Lilith. Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich. Du bist alles, was mir geblieben ist…«
    Er griff nach ihr.
    Sie wich seinem Griff
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