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Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte
Autoren: Robert Silverberg
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existieren.
    Es konnte keine Existenz geben ohne Hoffnung. In der Leere schwebend, beraubt aller Kontakte mit dem Universum, meditierte Watchman über das Paradoxon der Hoffnung ohne Existenz und der Existenz ohne Hoffnung und erwog die Möglichkeit, daß es einen Antikrug gab, der die Gefühle des wahren Krugs böswillig verdrehte. War es der Antikrug, in dessen Seele ich eingedrungen bin? Ist es der Antikrug, der sich uns so unerbittlich widersetzt? Gibt es noch Hoffnung, die Mauer zu durchbrechen und den wahren Krug auf der anderen Seite zu erreichen?
    Keine Hoffnung. Keine Hoffnung. Keine Hoffnung. Keine Hoffnung.
    Als Watchman diese letzte graue Wahrheit erkannte, fühlte er die Wirklichkeit zurückkehren. Er glitt abwärts, um sich wieder mit seinem Körper zu vereinigen, den Krug ihm gegeben hatte. Er war wieder er selbst, lag erschöpft auf einer Couch in einem matt erleuchteten fremden Raum. Mit Anstrengung wandte er den Kopf. Dort lag Krug auf der benachbarten Couch. Nahe über sich sah er die Androiden. Aufstehen jetzt. Langsam. Können Sie gehen? Der Austausch ist vorbei. Beendet durch Mr. Krug. Auf? Auf! Watchman erhob sich. Krug richtete sich ebenfalls auf. Watchman mied Krugs Blick. Krug sah düster aus, niedergeschlagen, erschöpft. Ohne zu sprechen, gingen sie zusammen zum Ausgang des Tauschraums. Ohne zu sprechen, betraten sie die Transmatkabine. Ohne zu sprechen, sprangen sie zusammen zurück in Krugs Büro.
    Schweigen. Krug brach es. »Selbst nachdem ich eure Bibel gelesen hatte, glaubte ich nicht daran. An die Stärke eurer Bewegung. An ihr Ausmaß. Doch jetzt sehe ich alles. Ihr hattet kein Recht, so zu denken! Wer veranlaßte euch, einen Gott aus mir zu machen?«
    »Unsere Liebe zu Ihnen veranlaßte uns«, erwiderte Watchman ausdruckslos.
    »Eure Liebe zu euch selbst«, sagte Krug. »Euer Wunsch, mich für eure eigenen Zwecke zu benutzen. Ich habe alles gesehen, Thor, als ich in deinem Kopf war. Euer Komplott. Eure Manöver. Wie ihr Manuel manipuliert und ihn veranlaßt habt, mich zu manipulieren.«
    »Am Anfang haben wir uns nur auf das Gebet verlassen«, sagte Watchman. »Schließlich verlor ich die Geduld, ich sündigte, indem ich versuchte, den Willen Krugs zu erpressen.«
    »Du hast nicht gesündigt. Sünde setzt Heiligkeit voraus. Und von der kann keine Rede sein. Du hast lediglich einen taktischen Fehler gemacht.«
    »Ja.«
    »Weil ich kein Gott bin und nichts Heiliges an mir ist.«
    »Ja. Ich verstehe das jetzt. Ich sehe, daß es jetzt keine Hoffnung mehr gibt.«
    Watchman ging auf die Transmatkabine zu.
    »Wo gehst du hin?« fragte Krug.
    »Ich muß mit meinen Freunden sprechen.«
    »Ich bin noch nicht fertig mit dir!«
    »Tut mir leid«, sagte Watchman. »Ich muß sofort gehen. Ich habe ihnen schlechte Nachrichten zu überbringen.«
    »Warte«, sagte Krug. »Ich muß etwas mit dir besprechen. Ich wünsche, daß du mit mir einen Plan ausarbeitest, eure verdammte Religion zu vernichten. Jetzt, da du siehst, wie verrückt sie ist, wirst du…«
    »Entschuldigen Sie mich«, sagte Watchman. Er wollte nicht länger in der Nähe Krugs sein. Die Gegenwart Krugs würde jetzt ohnehin immer bei ihm sein, eingeprägt in seine Seele. Er wünschte jetzt nicht, mit Krug über die Auflösung der Gemeinde zu sprechen. Die Kälte durchströmte ihn immer noch, drohte ihn in Eis zu verwandeln. Er öffnete die Tür der Transmatkabine.
    Krug durchquerte den Raum mit erstaunlicher Schnelligkeit. »Verdammt, glaubst du, du könntest einfach so hinausgehen? Vor zwei Stunden war ich dein Gott. Jetzt willst du nicht einmal Befehle von mir entgegennehmen. Du hast zu gehorchen!« Er packte Watchman und zerrte ihn von dem Transmat zurück.
    Der Android war erstaunt über Krugs Stärke und Heftigkeit. Er ließ sich durch das halbe Zimmer zerren, bevor er daran dachte, Widerstand zu leisten, dann versuchte er, sich von dem Griff Krugs zu befreien. Krug hielt ihn fest. Sie rangen kurz miteinander. Krug brummte wie ein Bär und schlang seinen freien Arm um Watchmans Schultern, drückte ihn mit aller Kraft an sich. Watchman wußte, daß er sich von Krug losreißen und ihn niederschlagen konnte, doch selbst jetzt, selbst nach dieser verachtungsvollen Zurückweisung konnte er es nicht über sich bringen. Er konzentrierte seine Bemühung darauf, sich von Krugs Umklammerung zu befreien, ohne wirklich zu kämpfen.
    Die Tür öffnete sich. Leon Spaulding stürzte herein.
    »Mörder!« schrie er gellend. »Krug loslassen!
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