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Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte
Autoren: Robert Silverberg
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wunderbar sein«, verbesserte ihn Krug.
    »Nein. Nein. Er ist es bereits. Ein wunderbarer Torso! Seine schimmernde Glätte, Krug, seine gewaltige Masse, sein Aufwärtsstreben! Wissen Sie, was Sie da bauen, mein Freund? Die erste Kathedrale des galaktischen Zeitalters. Nach Tausenden von Jahren, lange nachdem Ihr Turm aufgehört haben wird, als Kommunikationszentrum zu funktionieren, werden Menschen zu ihm wallfahren, vor ihm niederknien, seine glatte Haut küssen und Sie dafür segnen, daß Sie ihn gebaut haben. Und nicht nur Menschen.«
    »Dieser Gedanke gefällt mir«, sagte Krug stolz. »Eine Kathedrale. So hatte ich ihn noch nicht gesehen.« Krug erblickte den Datenwürfel in Vargas’ rechter Hand. »Was haben Sie da?«
    »Ein Geschenk für Sie.«
    »Ein Geschenk?«
    »Wir haben die Signale bis auf ihre Quelle zurückverfolgt«, erwiderte Vargas. »Ich denke, Sie wollen sicher gern ihren Heimatstern sehen.«
    Krug beugte sich nach vorn. »Warum haben Sie so lange gewartet, mir das zu sagen? Warum haben Sie nichts gesagt, während wir auf dem Turm waren?«
    »Der Turm war ihre Show. Dies ist meine. Soll ich den Würfel einschalten?«
    Krug deutete ungeduldig auf den Empfängerschlitz. Vargas stöpselte den Würfel geschickt ein und betätigte den Abtaster. Bläuliche Strahlen fragenden Lichts schossen in das kleine Kristallgitter, entschlüsselten die gespeicherten Informationen.
    Die Sterne erblühten an der Decke des Planetariums.
    Krug war zu Hause in der Galaxis. Seine Augen machten vertraute Marken aus: Sirius, Canopus, Wega, Capella, Arcturus, Beteigeuze, Altair, Formalhaut, Deneb, die hellsten Strahlenquellen des Himmels, imposant verstreut an der Kuppel des Doms über ihm. Er suchte die nächsten Sterne, diejenigen innerhalb des Zwölf-Lichtjahre-Radius, die des Menschen Sternensonden zu seinen Lebzeiten erreicht hatten: Epsilon Indi, ROSS 154, Lalande 21185, Barnards Stern, Wolf 359, Procyon, 61 Cygni. Er schaute zum Stier hinüber und fand den roten Aldebaran, weit dahinter den Haufen der Hyaden und die in ihrer leuchtenden Hülle funkelnden Plejaden. Immer wieder veränderte sich das Bild an der Kuppel, wenn der Fokus kleiner wurde, wenn die Entfernungen wuchsen. Krugs Brust weitete sich. Vargas hatte kein Wort gesagt, seit er das Planetarium eingeschaltet hatte.
    »Nun?« fragte Krug schließlich. »Was soll ich sehen?«
    »Schauen Sie zum Wassermann«, sagte Vargas.
    Krug suchte den nördlichen Himmel ab. Er folgte der vertrauten Linie: Perseus, Cassiopeia, Andromeda, Pegasus, Wassermann. Ja, dort stand der alte Wasserträger, zwischen den Fischen und dem Steinbock. Krug versuchte sich des Namens eines größeren Sterns im Wassermann zu erinnern, doch er fiel ihm nicht ein.
    »Und nun?« fragte er.
    »Passen Sie auf. Ich vergrößere das Bild jetzt.«
    Krug hielt den Atem an, als der Himmel auf ihn zustürzte. Er konnte nicht länger die Muster der Sternbilder ausmachen; der Himmel taumelte, und alle Ordnung war dahin. Als die Bewegung aufhörte, sah er sich konfrontiert mit einem einzelnen Segment der galaktischen Sphäre, das die ganze Kuppel einnahm. Unmittelbar über ihm stand das Bild eines feurigen Ringes, dunkel im Kern, umgeben von einem unregelmäßigen Halo aus leuchtendem Gas. Im Zentrum des Ringes schimmerte ein Lichtpunkt.
    Vargas sagte: »Dies ist der planetarische Nebel NGC 7293 im Wassermann.«
    »Und?«
    »Er ist die Quelle unserer Signale.«
    »Wie sicher sind Sie sich dessen?«
    »Absolut sicher«, antwortete der Astronom. »Wir haben parallaktische Beobachtungen, eine ganze Reihe von Spezialtriangulationen, mehrere bestätigende Verfinsterungen und noch viel mehr. Wir haben von Anfang an vermutet, daß NGC 7293 die Quelle ist, doch die letzte Bestätigung fanden wir erst heute morgen. Jetzt sind wir absolut sicher.«
    Mit heiserer Stimme fragte Krug: »Wie weit entfernt?«
    »Etwa 300 Lichtjahre.«
    »Nicht schlecht! Nicht schlecht! Zwar außerhalb der Reichweite unserer Sonden, außerhalb der Reichweite wirksamen Radiokontakts. Doch kein Problem für den Tachyonstrahl. Mein Turm ist gerechtfertigt.«
    »Und es besteht immer noch Hoffnung auf Kommunikation mit den Sendern der Signale«, sagte Vargas. »Was wir alle befürchteten – daß die Signale aus dem Andromedanebel oder einer anderen Galaxis kommen, daß die Botschaften ihre Reise zu uns vor einer Million oder mehr Jahren unserer Zeitrechnung begonnen hätten – «
    »Diese Möglichkeit besteht jetzt nicht mehr?«
    »Nein.
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