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Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte
Autoren: Robert Silverberg
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Android ging auf dieses Spiel nicht ein. »Entschuldigen Sie«, sagte er. »Es hat Verletzte gegeben und wahrscheinlich auch Tote. Ich muß gehen.«
    Er eilte zur Türe.
    »… unentschuldbare Nachlässigkeit…«, murmelte Spaulding.
    Watchman ging hinaus. Während er zur Unfallstelle lief, begann er zu beten.
5
    »New York«, sagte Krug. »Das obere Büro.«
    Er und Spaulding betraten die Transmatkabine. Das strahlend grüne Transmatfeld stieg aus der Bodenöffnung und bildete einen Vorhang, der die Kabine in zwei Hälften teilte. Der Ektogene stellte die Koordinaten ein. Die verborgenen Kraftstationen des Transmaterialisierungssystems waren direkt mit dem Hauptgenerator verbunden, der Irgendwo unter dem Atlantik stets auf hohen Touren lief und die Theta-Energie erzeugte, die das Transmatreisen brauchte. Krug machte sich nicht die Mühe, die Koordinaten zu prüfen, die Spaulding eingestellt hatte. Er vertraute seinen Mitarbeitern. Eine kleine Abweichung in der Abszisse, und die Atome von Simeon Krug würden unwiderruflich in alle Winde zerstreut werden, aber er trat, ohne zu zögern, in den grünen Schein.
    Es war keine Sensation. Krug wurde zerstört; ein Strom der zu Wellen entmaterialisierten Korpuskel, aus denen Krug bestand, wurde mehrere tausend Kilometer weit zu einem parallel geschalteten Empfänger gefunkt, und Krug wurde wiederhergestellt. Das Transmatfeld zerblies den Körper eines Menschen so schnell in subatomare Einheiten, daß das Nervensystem keinen Schmerz empfand, und die Rematerialisierung erfolgte mit der gleichen Geschwindigkeit. Heil und unbeschädigt trat Krug mit Spaulding aus der Transmatkabine seines Büros.
    »Kümmern Sie sich um Quenelle«, sagte Krug. »Sie kommt unten an. Unterhalten Sie sie. Ich will für mindestens eine Stunde nicht gestört werden.«
    Spaulding ging hinaus. Krug schloß die Augen.
    Das Fallen des Blocks hatte ihn in höchstem Maße beunruhigt. Es war nicht der erste Unfall, der sich während des Turmbaues ereignet hatte; es würde wahrscheinlich nicht der letzte sein. Leben hatte es gekostet, zwar nur Androidenleben, gewiß, aber dennoch Leben. Die Vergeudung von Leben, von Energie und von Zeit machte ihn rasend. Wie sollte der Turm steigen, wenn Blöcke abstürzten? Wie sollte er Botschaften ins All schicken, daß der Mensch existierte, wenn es keinen Turm gab?
    Krug litt. Krug fühlte sich der Verzweiflung nahe, angesichts der ungeheuren Größe seiner selbstauferlegten Aufgabe.
    In Augenblicken der Müdigkeit und der Anspannung wurde er sich schmerzhaft der Rolle seines Körpers als einem Gefängnis seiner Seele bewußt. Seine Bauchfalten, die ständigen Anfälle von Nackenverkrampfung, das häufige Zucken seines linken oberen Augenlids, der stete Druck auf der Blase, seine zunehmende Heiserkeit, das Knacken in den Kniescheiben, jede Andeutung von Sterblichkeit wirkte auf ihn wie ein Alarmsignal. Sein Körper erschien ihm oft als etwas Absurdes, wie ein Sack aus Haut und Fleisch und Knochen, Blut und Kot und verschiedenen Seilen und Schnüren, erschlaffend im Fluß der Zeit, verfallend von Jahr zu Jahr, von Stunde zu Stunde. Was war edel an einem solchen Haufen Protoplasma? Die Sinnlosigkeit der Fingernägel? Die Albernheit der Nasenlöcher? Die Lächerlichkeit der Ellbogen? Doch unter der Schädeldecke tickte das wachsame graue Gehirn wie eine im Schlamm vergrabene Bombe. Krug verachtete sein Fleisch, doch er empfand Ehrfurcht vor seinem Gehirn und vor dem menschlichen Gehirn an sich. Sein wahres Wesen hatte seinen Sitz in den Falten und Windungen dieses weichen Gewebes, sonst nirgends, nicht in den Eingeweiden, nicht in den Lenden, nicht in der Brust, nicht Im Herzen, sondern allein im Geist. Der Körper verfaulte, während sein Besitzer ihn noch trug; der Geist in ihm schwang sich auf zu den fernsten Galaxien.
    »Massage«, befahl Krug.
    Der schroffe Tonfall seines Befehls veranlaßte einen leicht vibrierenden Tisch, aus der Wand herauszufahren. Drei weibliche Androiden, ständig auf Abruf bereit, betraten den Raum. Ihre geschmeidigen Körper waren nackt; sie waren Gamma-Standardmodelle und sahen aus wie Drillinge, bis auf die üblichen, kleinen programmierten somatotypologischen Unterschiede. Sie hatten kleine hochstehende Brüste, flache Bäuche, schmale Taillen, ausladende Hüften, pralle Gesäße. Sie hatten Haare auf den Köpfen und sie hatten Augenbrauen, aber sonst waren sie ohne Körperbehaarung, was ihnen trotz aller weiblichen Formen ein gewisses
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