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Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte
Autoren: Robert Silverberg
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etwas höher im Spektrum liegt?«
    Krug schüttelte den Kopf. »Also gut, Sie erfinden Superrassen, ich spiele den advocatus diaboli. Ihrer Meinung nach absorbieren sie harte Strahlen. Wie steht es mit den genetischen Effekten? Welche Art von stabiler Zivilisation können sie aufbauen bei einer so hohen Mutationsrate?«
    »Eine an hohes Bestrahlungsniveau adaptierte Rasse hat wahrscheinlich eine genetische Struktur, die Bombardierungen gegenüber nicht so verwundbar ist wie die unsere. Sie absorbiert alle Arten von harten Partikeln ohne zu mutieren.«
    »Vielleicht. Vielleicht nicht.« Nach einer Weile sagte Krug: »Also gut, einverstanden, sie sind also von irgendwo hergekommen und haben sich auf Ihrem planetarischen Nebel angesiedelt, als er einigermaßen stabil war. Warum erhalten wir keine Signale von dort, wo sie hergekommen sind? Wo ist das Heimatsystem? Verbannte, Kolonisatoren… von wo?«
    »Vielleicht ist das Heimatsystem so weit entfernt, daß die Signale uns erst nach Tausenden von Jahren erreichen würden«, erwiderte Vargas. »Oder vielleicht schickt das Heimatsystem keine Signale aus. Oder…«
    »Sie haben mir zu viele Antworten«, murmelte Krug. »Die Idee gefällt mir nicht.«
    »Das bringt uns zu der anderen Möglichkeit«, sagte Vargas, »daß die Signale aussendende Spezies auf NGC 7293 heimisch ist.«
    »Wie? – Aber die Eruption…«
    »Vielleicht hat die Eruption sie nicht gestört. Diese Rasse gedeiht bei harten Strahlen. Mutation ist vielleicht eine Lebensnotwendigkeit. Wir sprechen von Unbekannten, mein Freund. Wenn sie wirklich fremdartig sind, können wir sie mit unserem Wissen nicht begreifen. Also spekulieren Sie weiter mit mir. Wir haben einen Planeten eines blauen Sterns, einen Planeten, der weit genug von seinem Zentralgestirn entfernt ist, um dessen Explosion zu überdauern, aber einem Bombardement unglaublich harter Strahlung ausgesetzt ist. Sein Meer ist eine Brühe brodelnder Chemikalien, in ständiger Umwandlung befindlich. Eine Million Jahre nach der Abkühlung der Oberfläche entwickelt sich Leben. Dies geschieht schnell auf einer unter solch starker Strahlung liegenden Welt. Nach einer weiteren Million Jahre ist komplexes vielzelliges Leben vorhanden, eine Million Jahre später gibt es Lebewesen, die den Säugetieren unserer Erde entsprechen mögen und im Verlauf einer weiteren Million Jahre eine galaktische Zivilisation aufbauen. Veränderungen, ungestüme, hektische Veränderungen.«
    »Ich möchte Ihnen glauben«, erwiderte Krug düster. »Ich möchte, doch ich kann es nicht.«
    »Strahlenkonsumenten«, fuhr Vargas fort, »klug, anpassungsfähig, welche die Notwendigkeit ständiger heftiger genetischer Veränderung akzeptieren, ja begrüßen. Ihr Stern dehnt sich aus, und sie passen sich der vermehrten Strahlung an, finden ein Mittel, sich zu schützen. Jetzt leben sie innerhalb eines planetarischen Nebels, umgeben von einem fluoreszierenden Himmel. Irgendwie entdecken sie die Existenz des Restes der Galaxis. Sie senden uns Botschaften. Ist das so schwer vorstellbar?«
    Krug hob gepeinigt die Hände Vargas entgegen. »Ich möchte es ja glauben!«
    »Dann glauben Sie! Ich glaube es.«
    »Es ist nur eine Theorie, eine wilde Theorie.«
    »Sie erklärt die Daten, die wir haben«, sagte Vargas. »Kennen Sie das italienische Stichwort: Se non é vero, é ben trovato?, ›Selbst wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden.‹ Die Hypothese wird genügen, bis wir eine bessere haben. Sie erklärt die Fakten besser als die Theorie einer natürlichen Ursache für ein komplexes, ständig wiederholtes Signal, das uns auf mehreren Ebenen des elektromagnetischen Spektrums erreicht.«
    Krug hob eine Hand abwehrend gegen den Aktivator, als könne er das Bild an der Kuppel nicht länger ertragen, als spüre er, wie diese fremde mörderische Sonne tödliche Blasen auf seiner Haut verursachte. In seinen Träumen hatte er etwas völlig anderes gesehen. Er hatte sich einen Planeten unter einer gelben Sonne vorgestellt, irgendwo draußen im Raum, achtzig, neunzig Lichtjahre entfernt, eine milde Sonne, vertraut wie die, unter der er geboren worden war. Er hatte geträumt von einer Welt mit Seen und Flüssen und Wiesen, von wohlriechender, vielleicht nach Ozon schmeckender Luft, von purpurblättrigen Bäumen und glänzenden grünen Insekten, von vornehmen schlanken Lebewesen mit abfallenden Schultern und vielfingrigen Händen, ruhig plaudernd, während sie durch die Haine und die Täler ihres
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