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Kill Order

Kill Order

Titel: Kill Order
Autoren: Andrea Gunschera
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malen. Vater Georg wollte Schilder mit seinem Namen anbringen, aber er war dagegen.“
    „Stammt er aus der Gegend?“
    „Er hat ein Haus in der Nähe von Hawqa.“
    „Ich wurde in Hawqa geboren.“ Nachlässig strich sie eine Haarsträhne aus der Stirn. „Meine Eltern wohnen noch im Dorf. Ich bin nach Italien gegangen, um Kunstgeschichte zu studieren. Ich frage mich nur, wieso ich nie von diesem Künstler gehört habe. Lebt er schon lange hier?“
    Gratien knetete den Stoff seiner Kutte. „Fragen Sie am besten Vater Georg. Er kann Ihnen besser helfen als ich.“
     
    *
     
    „Ich besuche ihn“, sagte Azizah, später, als sie im Innenhof von Azizahs Elternhaus saßen. Azizahs Mutter hatte Kaffee gekocht und war danach zu einer Nachbarin gegangen.
    „Hör mal, du kannst nicht einfach bei ihm zur Tür reinplatzen“, wandte Chiara ein.
    Azizah lächelte ihre italienische Freundin über den Rand ihrer Tasse an. „Hier ist das anders als in Europa. Die Mentalität der Leute ist geselliger. Es ist nichts dabei, seine Nachbarn zu besuchen.“
    „Aber er ist nicht dein Nachbar. Er wohnt außerhalb des Dorfes.“
    „Hier ist jeder der Nachbar eines anderen. Es ist ein Akt der Höflichkeit, sich den Nachbarn vorzustellen.“ Beiläufiges Gelächter ihrer Freunde quittierte die Bemerkung. Sie stand auf. „Ich hole noch Kaffee.“
    „Ich helfe dir.“ Chiara griff nach der Kanne. Zusammen gingen sie ins Innere des Hauses, in die geräumige Küche. „Deine Eltern haben ein tolles Haus.“
    „Sie sind auch sehr stolz darauf.“ Azizah füllte Wasser und Kaffeepulver in die silbrige Kanne und stellte sie auf die Herdplatte.
    „Willst du da wirklich allein hingehen?“
    „Warum nicht?“
    „Sei froh, dass deine Mutter dich nicht hört. Ich könnte mitkommen.“
    „Du bist nur neugierig. Weil du glaubst, dass er groß und gut aussehend ist.“
    Chiara wurde rot. „Und du bist unmöglich.“
    Vom angrenzenden Esszimmer führten offene Flügeltüren in den Innenhof. Gelächter füllte den Hof. Es roch nach Blumen und Kardamom. Das Wasser begann zu kochen. Mit einem Ruck hob Azizah die Kanne hoch und trug sie hinaus zu ihren Freunden.
     
    Die Zufahrt zum Haus des Künstlers war ein Feldweg, der kurz hinter Hawqa von der Straße abzweigte. Akazien und Ginsterbüsche säumten den Straßenrand. Überhängende Äste verdeckten die Abzweigung, so dass ein Fremder sie leicht übersehen konnte.
    Azizah stieg vom Fahrrad und schob es durchs Gebüsch. Sie wusste selbst nicht so recht, was sie trieb. Neugier? Abenteuerlust? Ihre Mutter hätte ihr die Leviten gelesen. Trotz allen Geredes über Nachbarschaftsbesuche war das ein fremder Mann, dessen Haus sie ohne Begleitung aufsuchte. Obwohl sich ihre Eltern selbst als fortschrittlich und liberal verstanden, ließen sich die alten Traditionen nicht einfach so wegwischen.
    Der Weg war steinig und wand sich steil bergauf. Sie war schon einmal hier gewesen, doch das lag fünfzehn Jahre zurück. Als Kinder hatten sie die Kalksteinhöhlen oben am Berg erkundet. Sie erinnerte sich auch an das heruntergekommene Haus auf dem Plateau, das damals niemand hatte kaufen wollen. Aber das hatte sich wohl geändert. Erstaunlich war nur, dass der neue Besitzer die Zufahrt nicht besser instand hielt.
    Nach einer letzten Steigung verlor sich der Pfad zwischen Gras und verwilderten Obstbäumen. Irgendwo blökten Schafe. Sie lehnte das Rad gegen einen Baumstamm und sah sich um. Es war angenehm schattig hier oben. Der Duft von Heu und Schafgarbe hing in der Luft. Sie folgte einer breiten Schneise zwischen den Bäumen, bis sie auf einen Drahtzaun stieß, der einen verwilderten Garten umfriedete. Hohe Sträucher versperrten den Blick auf das Haus. Sie lief ein Stück am Zaun entlang, bis zu einem Tor ohne Namensschild oder Klingel.
    „Hallo?“, rief sie halblaut in Richtung des Gartens. „Hallo, ist jemand da?“
    Die Schafe blökten noch immer, aber es klang jetzt leiser, weiter entfernt. Zaghaft drückte sie gegen den Torflügel. Ein Grasweg führte zwischen den Bäumen hindurch auf die andere Seite des Hauses.
    Sie bog um die Ecke und blieb überrascht stehen. Der Bereich vor dem Haus war gepflastert und an den Seiten von Oleanderbüschen gesäumt. Das Gebäude selbst war neu verputzt worden. Jemand hatte das Dach repariert und die Fensterläden blau gestrichen. Sie klopfte gegen das geschnitzte Holzgitter in der Tür. Gleichzeitig fasste sie nach der Klinke und drückte sie herunter. Die Tür
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