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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser
Autoren: Reinhard Pelte
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Leckereien erstanden. Himbeertoni, ein Immigrant aus Ex-Jugoslawien, verkaufte auf dem Wochenmarkt griechische Spezialitäten. Heute gab es eingelegte Paprikaschoten, angemachte Zucchinischeiben, Schafskäse, Eselsalami, in Essig und Öl eingelegten Tintenfisch, scharfe, dicke Bohnen und vieles mehr. Dazu wurde frisches Bauernbrot und für Jung ein Pinot Grigio aus der Lombardei gereicht, den er ebenfalls anbot. Seine Frau trank seit der Geburt ihrer Tochter keine alkoholischen Getränke mehr.
    »Ich habe Neuigkeiten, Svenja«, begann Jung das Gespräch. Seine Frau betrachtete gedankenverloren den Garten und den an die hölzerne Terrasse angrenzenden Teich. Sie beobachtete zwei junge Kater aus der Nachbarschaft, die neugierig und gespannt über die großen Steine in den Teich spähten und die unter ihnen vorbeischwimmenden Goldfische beäugten.
    »Tom-Tom ist alt geworden. Jetzt lässt er schon diese Frechlinge von nebenan in unserem Teich fischen«, äußerte sie leichthin, als hätte sie ihm gar nicht zugehört. Tom-Tom war ihr Hauskater, der seit dem Einzug in das neue Heim bei ihnen lebte. Sie wandte sich ihrem Mann zu: »Was gibt’s denn Neues, Tomi? Hat Holtgreve sich was ausgedacht?«
    Holtgreve war häufiger ein Gesprächsthema zwischen den beiden, manchmal zu ihrer Belustigung, manchmal zu ihrem Verdruss.
    »Noch nicht, aber bald wird er es tun, so wie ich ihn kenne.«
    »Du sprichst in Rätseln. Also, was ist los?«
    »Ich werde zu einer Wehrübung bei der Marine einberufen, die mich nach Dschibuti führt.«
    »Eine Wehrübung? Das ist ja abartig. Und Holtgreve weiß davon nichts?«
    »Noch nicht. Aber er wird es nicht verhindern wollen. Der Polizeipräsident wird ihn anweisen, das Unternehmen zu genehmigen.«
    »Dschibuti. Ist nicht dein Mörder dahin ausgereist? War das dein Plan? Das hast du ja gefickt eingeschädelt.« Ihr Humor konnte nicht verbergen, dass ihre Verblüffung sich in Ärger verwandelt hatte.
    Jung erzählte, was bis jetzt passiert war. Er ließ nichts aus. Als er geendet hatte, entstand eine längere Pause.
    »Kannst du das überhaupt, Tomas?«, fragte Svenja schließlich, als wenn sie noch immer nicht glauben wollte, was sie gehört hatte. »Worauf hast du dich da eingelassen? Wie lange soll das gehen?«
    »Das sind drei Fragen auf einmal. Also von vorn. Erstens: Ich traue mir das zu. Zweitens: weiß ich nicht. Drittens: zwei Monate.« Jung sah seiner Frau gespannt in die ungläubigen Augen.
    »Hast du vergessen, dass Cara nächsten Monat nach Japan fliegt?«, wechselte sie abrupt das Thema.
    Jung zuckte innerlich zusammen. Das hatte er vergessen.
     
    *
     
    Seine Tochter hatte ihrer Begeisterung für Japan Taten folgen lassen und angefangen, Japanisch zu lernen. Irgendwann hatte sie darauf bestanden, für ein Jahr in Japan zur Schule zu gehen. Sie hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt und sogar neben der Schule im Supermarkt gejobbt, um sich an den Kosten für den Aufenthalt beteiligen zu können. Jung war von ihrem Engagement angetan und gern bereit gewesen, die verbleibenden, nicht unerheblichen Mittel, dafür aufzubringen. Als er die Unterlagen der Gesellschaft, die ihren Aufenthalt in Japan organisierte, studiert hatte, erschrak er, war aber mehr amüsiert als verängstigt. Die Regeln an japanischen Schulen waren nicht nur fremd, sondern – gemessen an dem, was an deutschen Schulen als normal galt – geradezu exotisch. Die Schüler trugen Schuluniform. Gefärbte Haare, lackierte Fingernägel, Schminke, Handy, Zigaretten, Alkohol, Drogen waren verboten. Wer sich nicht daran hielt, wurde sofort, ohne Verfahren, von der Schule verwiesen. Unterricht wurde täglich von morgens bis nachmittags abgehalten, danach hatten die Schüler ihre Klassenräume selbst zu säubern. Arbeitsgemeinschaften mussten in der restlichen Zeit besucht werden. Auch wurde auf die Ernährungsgewohnheiten in Japan hingewiesen. Jung konnte sich nicht vorstellen, dass sie seiner Tochter gefallen könnten.
    Es gab noch mehr Regeln. Er hatte Cara gefragt, ob sie alles gelesen und verstanden habe. Und sie hatte ihm geantwortet: Ja, genau das reize sie an Japan und bestärke nur ihren Willen, dort zur Schule zu gehen und richtig Japanisch zu lernen. Sie hatte ihn stark beeindruckt, das gestand Jung sich unumwunden ein. Und er war jetzt schon gespannt, wie sie nach diesem Jahr in Japan sein würde.
     
    *
     
    Nun stand ihre Abreise unmittelbar bevor, und er war aller Wahrscheinlichkeit nach bei ihrem Abschied nicht
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