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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer
Autoren: Stephanie Parris
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Reims und Rom mit Gesinnungsgenossen verschworen, um Ihre Majestät zu ermorden, und Ihr wart in Pläne für eine ausländische Invasion eingeweiht. Was habt Ihr dazu zu sagen?«

    Mit enormer Anstrengung, den Strick immer noch um seinen Hals, bot Jerome die wenige Kraft auf, die noch in seinem malträtierten Körper war, hob seinen Kopf und antwortete mit einer erstaunlich starken Stimme: »Ich bin nur des Versuches schuldig, verlorene Seelen zu ihrem Schöpfer zurückzuführen. Ich bete, dass Gott allen vergeben möge, die an meinem Tod beteiligt sind. Gott schütze die Königin.« Sein Blick wanderte wieder über die Menge und blieb auf mir ruhen, dann fügte er hinzu:
    »Eines Tages werdet Ihr stehen, wo ich jetzt stehe.«
    »Ruhe!«, donnerte der Beamte, der dies als Drohung gegen die englischen Protestanten auffasste, aber mich überlief ein Schauer; ich wurde das unheimliche Gefühl nicht los, dass Jerome mich persönlich angesprochen hatte.
    Ich dachte an seine Worte in dem Versteck in Hazeley Court: »Wir sind uns sehr ähnlich … Ihr werdet gefasst in den Tod gehen, so wie ich es tun werde, wenn die Zeit kommt.« Was ihn betraf, so hatte er recht gehabt, dachte ich, denn obwohl sein attraktives Gesicht von den Folterknechten entstellt worden war und er nicht ohne Hilfe stehen konnte, bewies er in seinen letzten Momenten einen nahezu übermenschlichen Mut.
    Der Beamte betrachtete ihn voller Abscheu, während die Menge den Atem anhielt.
    »Da Ihr ein verurteilter Verräter seid, steht Euer Urteil fest. Ihr werdet am Halse aufgehängt und lebend wieder heruntergelassen, Eure Männlichkeit wird abgeschnitten, da Ihr unwürdig seid, irgendeine Generation nach Euch zu hinterlassen, Eure Eingeweide werden herausgerissen und vor Euren Augen verbrannt, Euer Kopf, der all das Böse ersonnen hat, wird vom Rumpf getrennt und Euer Körper in vier Teile geteilt, mit denen verfahren wird, wie es Ihrer Majestät beliebt. Möge Gott Eurer Seele gnädig sein.«
    Jerome warf den Kopf zurück, sodass der jetzt stetig fallende Sommerregen ihm in Augen und Mund drang, als er zum Himmel emporschrie:
    »In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum !«

    Die Pferde erhielten einen Schlag mit der Peitsche, der Karren schoss vorwärts, und er baumelte am Ende des Seils.
    Als sie ihn abschnitten und die beiden stämmigen Männer ihn die Stufen zum Schafott hochzerrten, war er kaum noch bei Bewusstsein; wenigstens das war eine Gnade, dachte ich, bis ihm der Henker einen Eimer Wasser ins Gesicht kippte und er hustend und würgend wieder halbwegs zu sich kam und wild um sich schlug, als er auf den Henkertisch gehoben und entkleidet wurde. Wie Sidney vorhergesagt hatte, drängten sich einige Leute in der Menge vor, um zu versuchen, einen Fetzen der Kleidung des Märtyrers an sich zu reißen, und wurden von den Männern mit den Piken zurückgetrieben.
    Wie viele andere Männer in der Menge musste auch ich mich abwenden, als der Henker sein Messer hob, um Jeromes Genitalien abzutrennen, aber der markerschütternde Schrei, der die Luft zerriss, trieb mir die Tränen in die Augen, während das Ekel erregende Zischen, das ertönte, als sein abgetrenntes Fleisch in den Kessel geworfen wurde, bewirkte, dass mir der Mageninhalt in die Kehle stieg. Trotzdem dachte ich in diesem Moment der entsetzlichsten Szene, die ich je mit angesehen hatte, an Sophia. »Unwürdig, irgendeine Generation nach Euch zu hinterlassen«, hatte der Beamte gesagt, und doch wartete irgendwo in Kent ein Kind darauf, das Licht der Welt zu erblicken; ein Kind, das nie die Wahrheit über seinen Vater erfahren, aber seine Schönheit der Nachwelt erhalten würde. Zum tausendsten Mal seit meiner Rückkehr nach London fragte ich mich, ob ich recht daran getan hatte, Thomas Allens erbitterten Anschuldigungen Glauben zu schenken. Hätte Jerome Sophia wirklich getötet, oder könnten sich beide heute lebend und unversehrt in Frankreich aufhalten, wenn ich nicht eingegriffen hätte?
    »Er hätte dich getötet, Bruno, vergiss das nicht«, raunte Sidney mir ins Ohr, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Aber er war ein verdammt guter Kartenspieler«, fügte er nahezu unhörbar hinzu, und ich erkannte, dass ihn trotz seiner professionellen Soldatengelassenheit Jeromes Tod tief berührte. Ich nickte, und
als ich den Kopf hob, erblickte ich Walsingham auf einem schwarzen Pferd auf der anderen Seite der Menge. Er verfolgte das Gemetzel auf dem Schafott mit grimmiger Miene. Als der
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