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Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)

Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)

Titel: Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)
Autoren: Sebastian Sedlacek
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fühle ich mich ein bisschen alleine. Aber ein paar Meter später sitzt auf der Terrasse ein mir bekanntes Gesicht – Sandy. Also setze ich mich dazu und wir sprechen über Gott und die Welt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er ist ein Pastor der First United Methodist Church und sieht weder aus wie der typische Priester, noch verhält er sich wie einer, oder teilt sämtliche Ansichten der Kirche Würde es mehr Priester wie ihn geben, wären die Kirchen voller. Soviel steht fest. Ein Beispiel oder Vergleich, den ich mir auch später noch immer wieder vor Augen führe, ist folgender: In Sandy‘s Gotteshaus erhalten jeden Abend 60 Obdachlose die Möglichkeit zu duschen, zu essen und zu schlafen. Wenn ich mir das unter Kardinal Meissner im Kölner Dom vorstelle, weiß ich, wie das ausgeht.
    Zu uns gesellen sich Debbie, Cath, Joanna und Rocky – alles Damen aus England, Kanada und den USA, und ich muss gehörig aufpassen, dem Gespräch zu folgen. Drei vollkommen verschiedeneDialekte des Englischen sind doch ein bisschen viel auf einmal. Es bleibt jedoch bei einem unterhaltsamen Nachmittag und Sandy, Rocky, seine Schwester und ich essen noch zusammen zu Abend. Sandford und meine Wenigkeit entscheiden uns, die morgige Etappe gemeinsam zu gehen. Wir verabreden uns für halb acht an seiner Albergue. Ein netter Ausklang des Abends.
    Zurück in meiner Albergue angekommen, sitzt in der Küche eine weitere Mitpilgerin, die ein kleines Set Aquarellfarben und eine Art Stift mit sich führt und erstaunliche Bilder in einem kleinen Buch malt. Sie sagt, sie geht weniger Kilometer und malt dafür mehr. Sie möchte zudem ein Buch zu den Bildern schreiben. Die Bilder sind Impressionen des Weges und wirklich gut.

21.05.: Navarette – Azofra (24,1km)
    Die Nacht ist trotz der überaus schönen Herberge der Horror. Aus Angst, morgens meinen durchaus leisen Wecker nicht zu hören, will ich ohne Oropax schlafen. Eine schlechte Entscheidung. Ganz schlecht. In einem Raum mit 14 Betten sind gleich drei Schnarcher, die jedem Sägewerk zur Ehre gereicht hätten. Und wach werde ich überpünktlich, weil wieder Pilger sehr zeitig aufstehen und für mich ohne Oropax auch mit größter Mühe, ruhig zu sein, zu laut sind, um nicht aufzuwachen. Ich mache mich auf den Weg in eine Panaderria und kaufe erst einmal zwei Croissants und Schokoladenhörnchen für uns. Sandy nimmt es begeistert an und wir frühstücken quasi by the way. Es ist eine tolle Etappe. Wir verstehen uns prächtig, haben dasselbe Tempo und kehren zum Lunch in einer kleineren Stadt direkt neben dem Fluss ein.
    Die Spanier neben uns trinken etwas aus einer 5l-Plastikflasche, das aussieht wie Olivenöl, aber definitiv Umdrehungen hat. Das weckt unser Interesse. Ist ja auch schon fast 12:00 Uhr. Es stellt sich als wohlschmeckender süßlicher Kräuterlikör heraus, der vergleichbarmit einem sehr sanften Grappa ist. Nach unserem Mittagsbocadillo kaufen wir jeder eine 700ml-Flasche. Somit sind es dann schon 16kg zu tragen. Wir besichtigen noch ein Kloster, auf dessen Glockenturm sechs Storchenpärchen nisten. Die Dame vom Kartenverkauf berichtet, dass sie Angst haben, dass die Statik des Turms so langsam nicht mehr ausreicht, um Nester und Vögel zu kompensieren. Die Etappe danach ist unspektakulär und schnell bewandert.
    Die Herberge besitzt nur Doppelzimmer. Eines davon beziehen wir. Welch eine Wohltat, nur ein Zweibett-Zimmer. Die erste Flasche wird am Nachmittag aufgemacht und in ähnlicher, aber erweiterter Konstellation der Leute wie tags zuvor geleert. Den ganzen lieben langen Tag nur Englisch zu sprechen ist fantastisch, aber auch kraftraubend. Die „Clique“ geht noch zusammen essen und danach fallen wir mit dem Vorsatz ins Bett, morgens ohne Wecker aufwachen zu wollen. Wir müssen unüblicherweise erst um neun aus der Herberge und wollen nur eine Kurzetappe nach Santa Domingo machen. Ich bin wirklich froh, Sandy kennen gelernt zu haben!

22.05.: Azofra – Santa Domingo de la Calzada (16,4km)
    Herrlich, keiner durch dessen Krach man geweckt wird. Wir wachen um 7:15 Uhr auf, lassen uns Zeit mit dem Aufstehen. Bis wir loswandern ist es kurz vor 9:00 Uhr. Egal – das kleine Stückchen Weg ist gut zu schaffen. Zu uns gesellt sich Jan aus Münster, der eigentlich mit seiner Freundin Nikki aus Kanada unterwegs ist. Sie hat jedoch Knieprobleme und läuft nur langsam. Daher schläft er immer aus und holt sie dann unterwegs irgendwann ein. Eine wirklich gute Handhabung. Heute
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