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Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)

Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)

Titel: Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)
Autoren: Sebastian Sedlacek
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wahrscheinlich mit uns. So wandern wir das erste Mal seit Tagen wieder bei bewölktemHimmel und ich hole sogar mein langärmeliges Hemd aus dem Rucksack. Bei unserem Zwischenhalt und der Suche nach einem Café für ein Frühstück, nimmt Sandy spontan an einer Messe in der auf dem Weg befindlichen Kirche teil. Jan und ich gehen weiter und erreichen um 12:30 Uhr Santa Domingo. Dort treffe ich die drei Spanierinnen aus Roncesvalles wieder. Ein riesen Bohei. Wir verstehen zwar kaum ein Wort voneinander, aber die gegenseitige Sympathie ist offensichtlich. Lange haben sie nicht mehr. Sie beenden in Burgos ihren Weg. Ich muss heute unbedingt in die städtische Herberge. Dort haben sie einen Hof für die Hühner, die gerade nicht in der Kirche „arbeiten“ müssen.
    Der Legende nach hat sich ein Ehepaar mit ihrem Sohn in ein Gasthaus begeben. Die Tochter des Gastwirts verliebte sich. Der Sohn des Ehepaars wollte jedoch nichts von ihr wissen. Aus Frust versteckte sie einen Silberbecher in seinem Rucksack und zeigte ihn bei der Polizei an. Er wurde gehängt für den Diebstahl. Als die Eltern nach Vollstreckung der Todesstrafe noch einmal zum Baum gingen, lebte der Sohn. Sie gingen zum Richter und berichteten davon. Als er dies hörte, sagte er: „Euer Sohn ist genauso lebendig wie die beiden Hühner auf meinem Teller.“ Sprach‘s aus und sie flogen davon.
    Seitdem ist in der hiesigen Kathedrale immer ein Hahn in der Kirche, der alle paar Tage ausgetauscht wird. Die „Jungs“, die frei haben, sitzen nun unten im Hof der Herberge und genießen ihren wohlverdienten Urlaub. Wenn man die Kirche betritt und der Hahn kräht, wird es ein guter Camino, so die Aussage.
    Ansonsten mache ich mir allerdings auch keine Sorgen. Die Tage bis heute waren fabelhaft und ich bereue keine meiner zwei/drei Blasen, keinen müden Muskel und auch keine einzige kurze Nacht, eingepfercht mit Schnarchern oder Leuten, die bei geschlossenem Fenster schlafen müssen. Die nächsten Tage können kommen! Heute esse ich gemeinsam mit Sandy, Rocky, die dieses Mal im Parador – einer doch guten Hotelkette – schlafen und einigen anderen zu Abend. Nach dem Essen gehe ich in die Kircheund treffe Hiro, Günther und Joon. Der Hahn in der Kirche ist ruhig, dafür haben sie allerdings Lautsprecher und einen Fernseher, damit auch die Leute hinter den Pfeilern alles sehen können, was sich am Altar abspielt. Nach der Messe heißt es für Joon und mich Abschied nehmen. Sie wird zwar noch einen Tag wandern, aber dass wir uns treffen, ist eher unwahrscheinlich. Im Anschluss sorge ich dafür, dass ich ins Bett komme. Und damit beginnt der Ärger.

23.05.: Santa Domingo de la Calzada – Belorado (23,6km)
    Die Nacht ist die Hölle. Ein Spanier entscheidet für den Rest der Leute im Schlafraum, dass die Fenster geschlossen bleiben. Einer der Momente, in denen man doch besser Diazepam eingepackt hätte, um gewisse Leute ruhig zu stellen. Um 1:00 Uhr ist die Nacht für mich vorbei. Ich wälze mich bis um 3:00 Uhr hin und her, bzw. schreibe Tagebuch. Dann entscheide ich, aufzustehen, meine Sachen, die ich anders als sonst schon soweit gepackt habe, mit in den Aufenthaltsraum zu nehmen und ins Internet zu gehen, um die Fotos hochzuladen. Der Internetraum ist zu, also mache ich mich fertig, als ich von einem österreichischen Mitpilger erfahre, dass die Türe unten abgeschlossen ist und nicht vor 6:30 Uhr aufgemacht wird. Ich könnte platzen vor Wut. Mit der Zeit stoßen zwei weitere Pilger zu uns in den Raum (Söhnke und Karmen). Söhnke kränkelt, Karmen hingegen macht sich reisefertig. Sie weiß nichts von abgeschlossener Türe. Wir beschließen, gemeinsam loszuwandern. Söhnke und der Österreicher bleiben. In der Dunkelheit, bei der Suche nach gelben Pfeilen ist es nicht ganz so blöd, zusammen zu gehen. Wir übersehen trotzdem kurz nach Verlassen der Stadt (6:00 Uhr) ein übergroßes Schild und landen, die Rufe zweier Pilger hinter uns nicht hörend, erstmalmitten im Nirgendwo. Schon zum zweiten Mal bringt mich eine gute Unterhaltung vom Weg ab. Bereut habe ich sie trotzdem nie. Nach einem Rückweg von 20 Minuten sind wir wieder richtig und schauen ab dem Moment mehr als konzentriert auf die Schilder. Es wird wieder ein wirklich warmer Tag mit grandioser Landschaft. Für mich ein weiterer Tag mit kaum deutscher Konversation – Karmen kommt aus Slowenien. Ich gewöhne mich daran. Wir ergattern für den Abend noch eine private Herberge mit – man staune –
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