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Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)

Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)

Titel: Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)
Autoren: Sebastian Sedlacek
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Bett möchte niemand, schließlich verlässt uns Andreas morgen früh, um den Bus nach Finisterre zu nehmen. Den ersten großen Abschied macht unser Finne. Großer Abschied – großer Käse. Aber er hat vor, weiter nach Portugal zu reisen und keine Möglichkeit zu bleiben. Ich gehe heute mit dem Gefühl ins Bett, morgen wandern zu gehen – ein gutes Gefühl! Ach ja vor lauter Langeweile habe ich unsere Herberge inspiziert – am Morgen ging ja nicht viel … wir haben eine flächendeckende Sprinkleranlage, die in Bezug auf die Örtlichkeit der Installation auch kein großes Bohei um irgendwelche Elektroinstallationen macht … aber was soll‘s, wenn es brennt, funktioniert das Licht meist sowieso nicht mehr.

18.06.: Santiago de Compostela – Negreira (23,0km)
    Der Tag beginnt mit dem ersten Goodbye. Andreas, unser Finne, verlässt uns. Er hat einen Bus nach Portugal gebucht und kann nicht mit uns zu Fuß nach Finisterre. Der erste Abschied, einer der engsten Weggefährten und somit auch die ersten Tränen, die kullern. Die verbliebenen Vier machen sich „zeitig“ um 11:30 Uhr auf den Weg nach Negreira. Warum früh aufstehen? Die Herberge lässt es zu und wir haben auch nur etwas um die 20 Kilometer zu laufen. Ein Bett in der öffentlichen Herberge ist aufgrund der Frühaufsteher eh nicht zu bekommen, es gibt nur 16.
    Also gehen wir davon aus, dass eine der privaten Herbergen schon etwas haben wird. Das Laufen an diesem Tag wirkt befreiend. Einen Tag „festzusitzen“ war ungewohnt, Santiago als das Ziel konnte im ersten Anlauf auch nicht richtig begeistern – wie auch; ein Tag Durchfall prägt das Bewusstsein und schränkt die Sicht der Dinge doch ein – so dass ich froh bin wieder unterwegs zu sein. Auch so scheint es, bietet das letzte Stück Weg ans Meer die Möglichkeit, den Part bis Santiago Revue passieren lassen zu können. Eben noch kein Ende, sondern ein langsames Herantasten an die Zeit zu Hause; quasi „postcamino“. Mir würde doch was fehlen, wenn ich in Santiago abgereist oder lediglich mit dem Bus nach Finisterre gefahren wäre. Ich möchte die letzten „paar“ Kilometer eben auch noch zu Fuß gehen, bis es nicht mehr geht, weil 1,73 Meter Körpergröße dann doch keine adäquate Grundlage bieten, um weit ins Meer zu laufen bevor der Sauerstoff ausgeht. Zudem begegnen wir kaum Pilgern und die Gegend ist wieder einmal malerisch schön. Nach den letzten 100 Kilometern touristisch angehauchtem Teil eine wahre Wohltat.
    Alex, unser Kommunikationsgenie, beweist heute wieder einmal sein Talent. Er unterhält sich durch irgendwelche Laute mit einem Truthahn. Das eigentlich geniale dabei ist, dass das hässliche Vieh – ich kann es leider nicht anders beschreiben – es hat im Rahmen der Evolution wohl etwas anderes erhalten, hoffe ich zumindest – Alex auch noch antwortet. Das macht es sogar mit solch einer Inbrunst, dass ich nach drei Minuten „Gespräch“ Angst habe, dass es an einem Herzinfarkt stirbt, wenn Alex auch nur noch einmal ruft. Der schnelle Tod bleibt Quasimodo erspart, zumindest solange wir anwesend sind. Als wir gegen 18:00 Uhr Negreira erreichen, bekommt Nikki von Andreas eine Nachricht. Er sitzt alleine in Finisterre am Strand und isst einen Apfel. Für die anderen eine schöne Nachricht. Für mich klingt sie abgrundtief traurig. Dann lieber nach Hause, als alleine am Ende der Welt sitzen, mit dem Wissen, dass die anderen noch unterwegs sind, getrennt von allen sozusagen auf den Bus zurück nachSantiago zu warten. So fasst es jeder anders auf und interpretiert seine eigenen Gedanken hinein. Ich merke ein weiteres Mal, wie wichtig mir diese Menschen geworden sind. Ich fasse es immer noch kaum, dass obschon wir uns alle erst so kurze Zeit kennen, ein solches Wir-Gefühl entstehen konnte.
    Natürlich ist die öffentliche Herberge voll und genauso natürlich brauchen wir uns nicht ins „Hemd machen“, weil wir in der ersten Privaten, die wir ansteuern, unsere benötigten Betten bekommen. Es kostet zwar 12 Euro, das gab‘s auch schon billiger, aber immerhin Duschen mit Platz, Handtücher und frisch bezogene Betten inkl. Decken. Da sollte man nicht meckern. Wir kochen gemeinsam, schreiben Tagebuch, Blog, Postkarten, oder tönen die Haare. Gut – ich habe keine Farbe gekauft. Wir sind wieder einmal die letzten, die ins Bett gehen, haben auch keine wirklichen Pläne für morgen, außer dass uns eventuell ein befreundetes Pärchen von Annina mit nach Finisterre nehmen kann, um
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