Keine Lady fuer Lord Strensham
wenn ihm keine andere Wahl bleibt.“ Marcus ließ sie los und trat einen Schritt zurück.
„Nein.“ Sie fragte sich, warum er so verbittert klang. „Ich kann es mir vorstellen.“
Er lächelte nachsichtig. „In jedem Fall bist du keine verwöhnte junge Dame, die das Böse dieser Welt nur aus ihren geliebten Schauerromanen kennt. Also wirst du dich wohl hier geschickt genug anstellen.“
„Das werde ich“, versprach sie.
Falls sie irgendwann eine verwöhnte junge Dame gewesen war, so würde sie es jedenfalls nie wieder sein. Die Vergangenheit ließ sich nicht ändern, aber Thea bedauerte ihren schlechten Ruf. Er war einer der Gründe, weswegen sie ihrem Major nicht als Gleichberechtigte gegenübertreten konnte. Und weswegen sie ihm nicht die Wahrheit sagen würde.
„Früher war ich einmal davon überzeugt, die Welt meinen Wünschen unterordnen zu können“, fuhr er geistesabwesend fort, als wolle er nur seine Gedanken laut aussprechen. „Doch als ich der Armee beitrat, lernte ich bald, wie sehr ich mich geirrt hatte. Und jetzt haben mein Vater und mein Großvater mich wie einen Bauern auf einem Schachbrett benutzt. Der Himmel weiß, dass sie es schon mein Leben lang getan haben. Ich hatte angenommen, mein Großvater würde am Ende der Gewinner dieses Spiels sein. Er hatte großes Vergnügen an allen Arten von Rätseln, und seine Schatzsuchen waren früher in ganz Gloucestershire berühmt. Doch gezwungen zu sein, ein Spiel zu spielen, dessen Regeln man nicht kennt, kann verteufelt unangenehm werden, Hetty Smith.“
„Sind wir nicht alle nur Bauern in einem einzigen großen Schachspiel?“, erwiderte Thea lächelnd. Plötzlich hatte sie das Bedürfnis, den Major zu trösten.
„Vermutlich, aber jetzt bin ich gezwungen, morgen die Rolle zu spielen, die man mir zugewiesen hat. So wie du auch.“
„Und Sie halten mein Los für das leichtere?“
„Ein sehr scharfsinniges Mädchen“, sagte er anerkennend. „Doch ich würde eher sagen, dass ich es für das einfachere halte. Trotzdem werde ich mich der neuen Lage anpassen, so wie du. Und hier sind wir bereits an der Kreuzung. Selbst du kannst unmöglich auf der kurzen Strecke bis zu Nanny Turners Häuschen zu Schaden kommen, also verabschieden wir uns hier voneinander. Es täte deinem Ruf nicht gut, mit mir zusammen gesehen zu werden.“
Die Enttäuschung war fast zu viel für Thea. Er hatte sie mit einem Zucken seiner breiten Schultern entlassen, als wäre er ihrer müde. Statt sich einzubilden, dass sie in ihn verliebt war, sollte sie sich endlich vor Augen führen, wie gering sein Interesse an ihr war.
4. KAPITEL
„Leben Sie wohl, Major, und vielen Dank für Ihre Intervention. Ich habe nicht viel getan, um sie zu verdienen.“
„Leb wohl, Hetty. Ich bin es, der sich bedanken muss.“ Marcus blieb bei ihr stehen, als wollte er noch etwas sagen. „Ich wünschte, ich wäre ein anderer Mann“, fuhr er dann leise fort.
Der feurige Blick, der seine Worte begleitete, brachte Theas Herz zum Klopfen. Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte Marcus sie gepackt, drückte sie an sich und küsste sie unbeherrscht.
„Oder besser, ich wünschte, ich wäre ein ehrenwerterer Mann“, sagte er dann atemlos. Er schien vergessen zu haben, wie sehr er Thea eben noch davor gewarnt hatte, in seiner Gesellschaft gesehen zu werden. Offenbar genoss er den Kuss so sehr, dass er nicht damit aufhören mochte.
Jetzt wusste sie, warum sie nie auf die unausgegorenen, halbherzigen Verführungsversuche der Bewerber reagiert hatte, die ihr Großvater ihr präsentiert hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, in der Umarmung irgendeines anderen Mannes ein solches Verlangen zu empfinden wie beim Major. Er war der einzige Mann für sie. Nur er besaß die Macht, die Leidenschaft, die in ihr schlummerte, zu wecken – eine Leidenschaft, von der sie bis zu dem Morgen in der Hütte nichts geahnt hatte. Insgeheim wünschte sie sich fast, sie hätte nie erfahren, was sie für diesen Menschen empfinden konnte. Es gab keine Zukunft für sie und Marcus, sosehr sie sich auch danach sehnte.
Doch in diesem verzauberten Moment war es ihr nicht möglich, ihn von sich zu stoßen. Das Gefühl seines verführerischen Mundes auf ihrem ließ sie alles vergessen, was Anstand und Vorsicht ihr rieten.
Thea seufzte leise. Ein Ausdruck des Protestes, wie sie sich vorzumachen versuchte, doch in Wirklichkeit wollte sie mehr – mehr von ihm, mehr von seinen Küssen, einfach mehr.
Ihr Seufzer
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