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Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Titel: Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One
Autoren: Harlan Coben
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lassen, Besuche von Gutmenschen zu bekommen, zu lächeln. Seine Opfer verrotten unterdessen. Wie gesagt: Gott hat einen seltsamen Sinn für Humor.
    Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und betrachtete das Ergebnis im Spiegel. Ich sah furchtbar aus. Um 9 Uhr kamen die ersten Patienten. Natürlich war ich anfangs nicht richtig bei der Sache. Ein Auge immer auf die Wanduhr gerichtet, wartete ich auf die Kusszeit - 18 Uhr 15. Die Zeiger der Uhr bewegten sich, als müssten sie sich durch dicken Sirup kämpfen.
    Dann jedoch vertiefte ich mich in die Behandlung meiner Patienten. Darin war ich schon immer gut gewesen. Als Kind konnte ich stundenlang lernen. Jetzt, als Arzt, kann ich in meiner Arbeit versinken. Das habe ich auch nach Elizabeths Tod getan. Manche Menschen meinen, ich würde mich hinter meiner Tätigkeit verstecken, ich würde lieber arbeiten als zu leben. Auf dieses Klischee antworte ich meist mit einem schlichten: Ja, und?
    Mein Mittagessen bestand aus einem Schinkensandwich und einer Cola Light, dann kümmerte ich mich wieder um die Patienten. Ein achtjähriger Junge war im Laufe des vergangenen Jahres 80 Mal zum Einrichten der Wirbelsäule bei einem Chiropraktiker gewesen. Er hatte keine Rückenschmerzen. Es war ein Betrugsschema mehrerer Chiropraktiker aus der Umgebung. Sie bieten den Eltern einen Gratis-Fernseher oder -Videorecorder, wenn sie ihre Kinder zu ihnen in die Sprechstunde bringen. Die Behandlung stellen sie dann Medicaid in Rechnung. Medicaid ist eine wunderbare und notwendige Einrichtung, wird aber mindestens ebenso sehr missbraucht wie die Vorkämpfe bei einem von Don King promoteten Boxspektakel. Einmal war ein Sechzehnjähriger wegen eines ganz normalen Sonnenbrands mit dem Krankenwagen in die Klinik gebracht worden. Warum mit dem Krankenwagen und nicht mit dem Taxi oder der U-Bahn? Die Mutter erklärte mir, dass sie dann selbst zahlen oder lange auf die Rückerstattung vom Staat hätte warten müssen. Die Kosten für den Krankenwagen werden direkt von Medicaid übernommen.
    Um fünf verabschiedete ich mich von meinem letzten Patienten. Das Klinikpersonal ging um halb sechs. Ich wartete, bis das Büro leer war, und setzte mich dann an den Computer. Im Hintergrund klingelten die Telefone. Nach halb sechs werden Anrufe von einem Anrufbeantworter entgegengenommen, der den Anrufern mehrere Möglichkeiten für ihre weiteren Schritte anbietet; aus einem mir unbekannten Grund tut er das aber erst nach dem zehnten Klingeln. Die Geräuschkulisse war nahezu unerträglich.
    Ich ging ins Internet, suchte die E-Mail und klickte auf den Link. Er führte immer noch ins Leere. Ich dachte an das seltsame Zusammentreffen der E-Mail und der beiden Leichen. Da musste es eine Verbindung geben. Über diese an sich simple Tatsache musste ich immer wieder nachdenken. Es gab mehrere Möglichkeiten.
    Erstens: Diese beiden Leichen waren KillRoys Werk. Seine anderen Opfer waren zwar Frauen gewesen und er hatte die Leichen nicht versteckt, aber konnte man damit wirklich ausschließen, dass er noch andere umgebracht hatte?
    Zweitens: KillRoy hatte diese Männer überredet, ihm bei der Entführung Elizabeths zu helfen. Das würde vieles erklären. Den Baseballschläger zum Beispiel, falls die Blutspuren wirklich von mir stammen sollten. Und vor allem sah ich darin eine Antwort auf meine grundsätzliche Frage zu dieser Entführung. Wie alle Serienmörder arbeitete KillRoy - zumindest theoretisch - allein. Wie sollte es ihm dann gelungen sein, Elizabeth zum Wagen zu zerren und gleichzeitig darauf zu lauern, dass ich aus dem Wasser kam? Bevor ihre Leiche aufgetaucht war, waren die Behörden immer von mehreren Entführern ausgegangen. Als aber ihr Leichnam mit dem eingebrannten K gefunden wurde, verwarfen sie diese Hypothese. KillRoy könnte es getan haben, mutmaßten sie, indem er Elizabeth irgendwie gefesselt oder anderweitig außer Gefecht gesetzt und sich dann um mich gekümmert hatte. Das passte zwar nicht hundertprozentig, aber mit ein bisschen Gewalt bekam man das Teil schon ins Puzzle hinein.
    Jetzt gab es eine bessere Erklärung. Er hatte Komplizen gehabt. Und die hatte er dann umgebracht.
    Die dritte Möglichkeit war die einfachste: Das Blut am Baseballschläger war nicht von mir. Die Blutgruppe B positiv ist nicht sehr verbreitet, so selten aber nun auch wieder nicht. Höchstwahrscheinlich hatten diese Leichen nichts mit Elizabeths Tod zu tun.
    Ich glaubte es selbst nicht.
    Ich sah auf die Uhr im Computer.
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