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Kein Sex ist auch keine Loesung

Kein Sex ist auch keine Loesung

Titel: Kein Sex ist auch keine Loesung
Autoren: Mia Morgowski
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schicksalsträchtigen Abend in den schillerndsten Farben aus. Nadja ist entsetzt. Allerdings
     nicht, wie man annehmen sollte, über die Tatsache, dass meine Mutter sich als Dirne verdingt, sondern etwas anderes verärgert
     sie weit mehr.
    «Da siehst du mal, was du mit deiner Sturheit angerichtet hast», blafft sie mich an. «Nun ist es schon so weit gekommen, dass
     deine eigene Mutter, in Stunden finanzieller Not, nicht mal ihren Sohn um Hilfe bitten mag, da dieser viel zu überheblich
     und verkrampft ist.»
    Jetzt scheint Nadja sich den Hörer zwischen Schulter und Ohr zu klemmen, denn es klingt, als spräche sie aus einem Schuhkarton
     zu mir.
    «Sie muss sich schon in die Illegalität flüchten. Du bist ja echt ein toller Sohn.»
    Ich finde, Nadjas Problem ist, dass sie sich immer auf die Seite der Armen, der Hilflosen oder der Frauen schlägt. Und in
     diesem Fall trifft ja wohl nur Letzteres zu.
    Mein Problem dagegen ist, dass sie es immer wieder schafft, mir ein schlechtes Gewissen einzureden. Meine |297| Mutter in finanziellen Nöten? Seit ich denken kann, hatten weder meine Mutter noch meine jeweiligen Väter Geldprobleme. Oder
     haben sie nur nie mit mir darüber gesprochen? Aber ich meine, so etwas würde man doch merken. Meine Mutter hat zwar nie ihr
     Geld zum Fenster rausgeschmissen, war aber dennoch immer in exklusive und aktuelle Designerklamotten gekleidet. Wieso hätte
     ich annehmen sollen, ihr Abstieg ins Rotlichtmilieu stünde unmittelbar bevor?
    Dennoch, der Gedanke an mein Konterfei auf der Titelseite der «Bild»-Zeitung, gesäumt von der Schlagzeile: «Goldene-Löwe-Preisträger
     lässt Mutter anschaffen gehen», widerstrebt mir. Zumal ich den verliehenen Preis dann mit Sicherheit aus Gründen der Menschenrechtsverletzung
     wieder aberkannt bekäme. Man hört ja immer wieder von Familien, bei denen der eine nicht weiß, was der andere gerade tut.
     Und hinterher tuscheln die Nachbarn: |298| «Das gibt es doch nicht, dass der nichts gewusst hat, das kann ich nicht glauben.»
    Und nun soll ausgerechnet in meiner Familie ein derartiger Fall vorliegen? Die «Bild»-Zeitung wird von mir wissen wollen,
     wann ich das erste Mal vom Doppelleben meiner Mutter erfahren habe, und ich kann dann nur wahrheitsgetreu antworten: zu spät.
    Eine entsetzliche Vorstellung. Meine Karriere ist ruiniert, ehe sie richtig beginnen konnte. Und das ist genau genommen Lukes
     Schuld.
    Luke mit seinen Kontakten zur Unterwelt, mit seinen Freunden aus der Kunstszene, die in hippen Locations die abgefucktesten
     Partys feiern. Luke, der immer eine geniale Idee hat, wenn es darum geht, für wenig Geld viel Ärger zu bekommen. Jetzt wird
     mir überhaupt erst alles klar. Womöglich verdient er noch daran, dass meine Mutter sich mit gutbetuchten Cowboys über die
     Laken quält! Das ist ja ekelhaft.
    Am besten, ich bereite dem Grauen ein Ende, und zwar jetzt gleich.
    «Nadja, du warst mir eine große Hilfe», falle ich ihr unvermittelt ins Wort und befinde mich eine Sekunde später bereits auf
     dem Weg zu dem Typen, der sich schon mal im Voraus eine Zahnprothese bestellen kann.
    Endlich angekommen, läute ich Sturm und bearbeite gleichzeitig die Tür mit meinen Fäusten. Luke öffnet schlaftrunken, zeigt
     aber ein erstaunliches Reaktionsvermögen, indem er, kaum hat er mich erblickt, versucht, sie wieder zuzuschlagen.
    «Wir müssen reden!» Ich trete die Tür ein und dränge mich hinein. Die Worte verfehlen ihre Wirkung nicht, da |299| Männer sie so gut wie nie benutzen. Deshalb bringt auch Luke jetzt nur ein schwaches «Wenn du nicht gleich wieder durchdrehst   …» zustande, ehe er in Richtung Küche schlurft.
    «Deine Mutter ist übrigens nicht hier, falls du das wissen willst.»
    Schwach, mein Lieber, ganz schwach.
    «Natürlich ist sie nicht hier, und wir beide wissen auch, warum.» Er kann ruhig wissen, dass ich ihn durchschaut habe.
    «Ich nehme mal an, sie arbeitet.»
    Luke schaufelt sich doch tatsächlich sein eigenes Grab und besitzt darüber hinaus noch die Frechheit, mir dabei ins Gesicht
     zu sehen.
    «Ja, genau, sie arbeitet. Während du hier bequem in den Federn liegst – und das meist nicht allein   –» Ich blicke mich um, auf der Suche nach Indizien für seinen unsoliden Lebensstil. «–   geht sie anschaffen. Und du zockst sie dann noch ab!»
    Meine Faust will unbedingt in sein Gesicht – spontan fällt mir diese Textzeile von Grönemeyer ein, aber ich kann mich nicht
     erinnern, wie die
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