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Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen
Autoren: Gerold , Haenel
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Schafspelz. Dass Tabori ihr ein paar Mal von Lepckes Affären erzählt hatte, hatte die Sache nicht unbedingt besser gemacht. Und nach wie vor nahm sie es Lepcke persönlich übel, dass er nicht mit Tabori zusammen den Dienst quittiert hatte, »sondern weiter ein System unterstützt, dass nur auf Speichelleckerei und Willkür aufgebaut ist« – ihre eigenen Worte, mit denen sie mehr als nur einmal auch Lepcke selber konfrontiert hatte. Bis er Tabori darum gebeten hatte, dass sie sich fortan in der Kneipe trafen …
    Elsbet war in der Küche, Tabori konnte ihre Stimme hören, es schien Ärger zu geben. Er stellte das Telefon zurück. Der Wischeimer stand jetzt genau vor seiner Tür, das Zimmermädchen war gerade dabei, den Flickenteppich vor dem Bett zu saugen. Das Fenster war geöffnet, der Himmel war wolkenlos. Der Brief auf der Bettdecke war verschwunden.

3
    »Ach, das meinst du«, sagte Tabori, während seine Hand nach den Zigaretten in der Tasche tastete.
    »Das meine ich«, kam es von Lepcke.
    »Lass uns eine rauchen«, schlug Tabori vor. »Dann erzähl ich dir meine Geschichte.«
    »Das wird dem Leichenfledderer nicht gefallen«, grinste Lepcke, während er eine Zigarette aus der zerdrückten Packung fischte, die Tabori ihm hinhielt.
    »Wenn er sich beschwert, kannst du immer noch behaupten, es wäre mein letzter Wunsch gewesen«, grinste Tabori zurück. »Bevor du mich auf seinen im höchsten Maße hinterfotzigen Rat hin mit dem Skalpell filetieren wolltest.« Er ließ sein Zippo aufschnappen und gab erst Lepcke und dann sich selber Feuer.
    Sie rauchten.
    »Ich höre«, erinnerte Lepcke, als Tabori keine Anstalten machte anzufangen.
    »Sag du erstmal, was du zu wissen glaubst.«
    Lepcke verdrehte die Augen. »Weil du es bist. – Also, die Anwärterin schreibt dir einen Brief. Anonym und …«
    »Woher weißt du, dass sie es war?«
    Lepcke stieß den Rauch aus.
    »Wir haben die Zeitung bei ihr im Zimmer in der Ausbildungsstätte gefunden, aus der sie den Artikel ausgeschnitten hatte. Zufrieden?«
    Tabori nickte.
    »Weiter«, sagte Lepcke. »Ein anonymer Brief, aber mit deinem alten Titel vor dem Namen. Ergo, sie wusste offensichtlich, wer du bist.«
    »Aber sie wusste nicht, dass ich aus dem Verein ausgestiegen bin.«
    »Akzeptiert, aber im Moment bedeutungslos. Ich rufe dich in Dänemark an und erzähle dir von dem Brief. Und du fragst sehr konkret, ob die Anschrift – ich zitiere aus dem Gedächtnis – in ›auffällig schräg gestellten Buchstaben‹ geschrieben sei. Als ich das bestätige, hast du es plötzlich sehr eilig, das Gespräch zu beenden, und faselst irgendwas, dass du dich melden würdest, wenn du zurück bist. Ergo, du kanntest ihre Schrift! Volltreffer! Du wusstest genau, von wem ich rede. Und der Schluss liegt nahe, dass es entweder noch mehr Briefe von ihr an dich gibt oder dass du sonst irgendwie …«
    Er ließ seine Vermutung unausgesprochen und blickte Tabori auffordernd an.
    Tabori missbrauchte eine Nierenschale als Aschenbecher. »Und das ist alles?«
    »Spiel keine Spielchen, Tabori! Ich warte auf deine Antwort.«
    »Nein, du hast noch mehr. Ich kenne dich, vergiss das nicht.«
    »Hab ich fast vergessen, gut, dass du mich daran erinnerst. – Also, sie war in Dänemark, zur gleichen Zeit wie du. Und im gleichen Hotel! Wir haben die Rechnung bei ihr im Portemonnaie gefunden. ›Lerup Strandhotel‹. Zwei Übernachtungen, vom 6. und vom 7. September.«
    »Okay«, sagte Tabori, »jetzt meine Version. – Wahrscheinlichhat sie mir einen Brief unter der Tür durchgeschoben, deshalb kannte ich die Schrift. Und, ja, ich hatte einen Verdacht, von wem der Brief war. Ich hatte das Gefühl, dass mich jemand beobachtet oder Kontakt zu mir sucht, was weiß ich. Und wahrscheinlich war sie es …« Er nickte mit dem Kopf zu der Frauenleiche hinüber. »Größe und Figur könnten in etwa hinkommen. Mann, ich hab sie nur zweimal gesehen, einmal im Dunkeln mit einer Kapuze über dem Kopf und einmal mit Sonnenbrille und einer Zeitung vor dem Gesicht. Okay, natürlich war sie es, deine Fakten sind ziemlich eindeutig. Aber ich kenne sie trotzdem nicht.«
    Lepcke zog die Augenbrauen hoch. »Und der Brief, den sie dir unter der Tür durchgeschoben haben soll?«
    »Ist weg. Ich hab ihn nie gelesen.«
    »Was?«
    »Wie ich’s sage. Ich wollte ihn gerade aufmachen, als du angerufen hast. Aber das Netz hat nicht gereicht, deshalb bin ich runter und habe dich zurückgerufen. Und als ich danach wieder in mein
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