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Kay Susan

Titel: Kay Susan
Autoren: Das Phantom
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versunken, und als wir mit meiner wartenden Kutsche zu ihrer Wohnung fuhren, blieben ihre Finger meinen Blicken entzogen.
Ich hätte mich jederzeit zu ihr beugen und ihre Hand unter der Decke hervorziehen können, aber ich tat es nicht.
Wenn der Ring, den sie an diesem Abend trug, nicht meiner war, dann wollte ich es nicht wissen.
    Sie bestand darauf, die Hochzeit um einen weiteren Monat aufzuschieben. Sie sagte mir, sie wolle mir Zeit zum Nachdenken geben, und ich solle überlegen, ob ich nicht lieber meine Freiheit behalten wolle.
    »Ich möchte, daß du sicher bist, Raoul, ganz sicher, daß du mir vorher vergeben kannst«, sagte sie. Und gegenüber dieser neuen Christine, so merkwürdig ruhig und entschlossen, gefaßt und erwachsen, äußerte ich nicht den leisesten Protest.
    Vier Wochen später gaben wir uns bei einer privaten Zeremonie vor einem Priester das Jawort. Wir hatten keine Gäste; nur ihr Mädchen und mein Kutscher waren als Trauzeugen anwesend.
Am folgenden Tag nahmen wir das Schiff nach England.
3. Kapitel
Mit der Zeit begann ich die Katze zu hassen.
    Normalerweise mag ich Tiere recht gern, aber dieses unselige Wesen lernte ich ebensosehr zu hassen, wie es offensichtlich mich haßte.
    Einige Wochen lang, bevor wir nach England gingen, war ich ziemlich sicher, die Katze würde sterben. Sie weinte untröstlich und bemitleidenswert, und zwar mit einem gräßlichen Wimmern, das mich unangenehm an ein schwachsinniges Baby erinnerte. Sie wollte nichts fressen, sondern lief unablässig in Christines kleiner Wohnung herum und rief nach ihrem toten Herrn. Ich machte den Vorschlag, es sei gnädiger, sie töten zu lassen, aber der entsetzte Ausdruck auf Christines Gesicht sorgte dafür, daß ich diesen Vorschlag nie wiederholte.
    Als die Zeit unserer Abreise gekommen war, schien sich das Tier mit Christines Fürsorge abgefunden zu haben und lief ihr nun mit einer verzweifelten Anhänglichkeit nach, die ich unter anderen Umständen rührend gefunden hätte. Ich konnte mich kaum daran gewöhnen, daß das Tier wirklich eine Katze war – in Aussehen und Verhalten erinnerte es mich mehr an einen Affen – mutwillig, zerstörerisch und seltsam besitzergreifend. Wenn ich ihm zu nahe kam, richtete sich das Fell auf seinem Rücken unheildrohend auf, die blauen Augen verengten sich zu feindseligen Schlitzen, und der Schwanz begann warnend von einer Seite auf die andere zu wedeln. Bis auf den heutigen Tag kann ich keine Siamkatze sehen, ohne Abscheu zu empfinden.
    Wir waren etwa zwei Monate in England, als Christine mir sagte, sie erwartete ein Kind. Ich schwang sie in meinen Armen herum, begeistert und erleichtert in dem Wissen, daß wir endlich etwas haben würden, einen kleinen Bereich unseres Lebens, den er nicht anrühren konnte.
    Ich bestellte Champagner, um die Neuigkeit zu feiern, und als Christine und ich angestoßen hatten, beugte ich mich nieder, um die Katze zu berühren, die wie üblich mit besitzergreifender Miene zusammengerollt auf Christines Schoß lag. Das Gefühl von Wärme und Wohlbefinden, das mich durchströmte, gab mir den Entschluß ein, Frieden zu schließen mit dem Geschöpf.
    »Na, wollen wir nun Freunde werden?« bot ich in versöhnlichem Ton an und hielt meine Hand unter die feuchte schwarze Nase, um zu zeigen, daß ich nichts Böses im Sinn hatte.
Die Katze biß mich. Sie schlug ihre Zähne direkt in den Knochen.
    »Oh, Raoul«, seufzte Christine. »Warum läßt du sie nicht einfach in Ruhe? Du weißt doch, daß sie keine Fremden mag.«
Blut lief über meine Finger, aber ich war an diesem Abend innerlich zu glücklich, um über den verborgenen Sinn nachzugrübeln, den diese Worte vielleicht haben mochten. Ich dachte nicht einmal darüber nach, was es bedeutete, in meinem eigenen Haus als Fremder bezeichnet zu werden, von meiner eigenen Frau!
Christines Schwangerschaft festigte meine Entscheidung, in England zu bleiben. Von Anfang an schien eine Komplikation nach der anderen aufzutreten, und gegen Ende der Schwangerschaft bekam sie Anfälle und mußte ständig Beruhigungsmittel einnehmen.
Wochenlang war das Haus in Stille gehüllt. Christine wurde in einem verdunkelten Zimmer von einer Krankenschwester gepflegt, die Schuhe mit weichen Sohlen und eine ungestärkte Schürze trug; niemand von meinen Mitarbeitern im ersten Stock durfte lauter als im Flüsterton reden. Die Katze heulte ungehört in der Küche der Dienerschaft, und wer sie nach oben entwischen ließ, verlor seine Stellung. Ich
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