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Katzenbach: Kriminalroman (German Edition)

Katzenbach: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Katzenbach: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Isabel Morf
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zäh bewegten, jeder für sich,
um wieder herauszufinden. Ohne Erfolg. Er würde nie zu Ende sein. Es gab keinen
Ausweg. Auch Luzias Verschwinden nicht.
     
    Nadine rannte zum Nachbarhaus, Lotte
an der Hand. Klingelte überall gleichzeitig. Zwei Nachbarinnen kamen an die Tür.
»Unser Baby ist verschwunden«, sagte sie, »es lag im Wagen vor dem Haus. Haben Sie
jemanden gesehen?«
    »Das kleine,
äh, dunkle?«, fragte die eine Frau.
    »Unser Baby«,
wiederholte Nadine und biss sich auf die Lippen. Das dunkle – sie wusste, was das
hieß. Ich kann froh sein, dass sie nicht sagt: das hässliche, das missgestaltete
Baby.
    Beide Frauen
hatten nichts bemerkt. »Wir sehen ja gar nicht bis zu Ihrem Sitzplatz«, sagte die
eine, »er ist ja von den Büschen und der Baumkrone verdeckt.«
    »Ja, aber
ist jemand gekommen oder gegangen?« Sie schüttelten den Kopf.
    Nadine ging
mit Lotte zurück. Sie starrte in den Kinderwagen. Die Decke war zurückgeschlagen,
das Kissen lag da, noch eingedrückt vom Babyköpfchen. Lotte sah zu ihr hoch. Die
Mutter zog sie an sich. »Nicht traurig sein, wir finden Luzia wieder. Bestimmt.«
    »Möchtest
du denn, dass Luzia zurückkommt?«, fragte Lotte.
    Aber Nadine
achtete nicht auf ihre Bemerkung, sie hörte, dass Stefan in die Garageneinfahrt
einbog. »Papa ist da, komm«, sagte sie und eilte ums Haus.
     
    Als Stefan seine Frau auf sich zukommen
sah, kam ihm die Situation für einen Moment völlig irreal vor. Das kann doch nicht
unser Leben sein, dachte er ungläubig, alles hat eine ganz falsche Wendung genommen,
wir haben uns verirrt und wir werden nicht mehr zurückfinden. Wir haben versagt,
und die Versuche, die Sache wieder in Ordnung zu bringen, haben alles noch schlimmer
gemacht. Er sah Lottes ängstlich aufgerissene Augen und wusste, dass er sich solche
Empfindungen nicht leisten durfte. Er nahm seine Frau in die Arme, ihre Hände waren
eiskalt. Einen Moment lang machte ihr Blick, den er nicht zu deuten vermochte, ihm
Angst. Sie gingen hinein.
    »Ich wollte
nur rasch die Zeitung holen«, sagte Nadine. »Aber dann kam mir in den Sinn, dass
ich Lotte in der Spielgruppe abmelden musste, und dann kam noch ein Anruf von einem
Marktforschungsinstitut, und ich konnte die Frau nicht gleich abwimmeln. Aber mehr
als zehn Minuten war ich bestimmt nicht drin.«
    »Wir müssen
Luzia als vermisst melden«, sagte Stefan, »ich rufe die Polizei an.«
    »Aber wie
willst du es am Telefon erklären«, fragte Nadine stotternd, »ich meine, wie sie
aussieht?«
    Stefan sah
sie nicht an. »Du hast recht. Ich rufe an und dann fahre ich zum Polizeiposten«,
gab er zu. »Bleib hier und lass Lotte nicht aus den Augen.«
     
    Die beiden Polizisten und der Sanitäter
kamen zu Fuß. Valerie zeigte stumm auf das Baby.
    »Mein Gott«,
sagte der eine Polizist, ein junger, kräftiger Typ, »was ist denn das?« Er beugte
sich nieder.
    »Es ist
ein Kind«, sagte Valerie. »Sein Herz schlägt nicht. Es ist tot.«
    »Ein Kind«,
wiederholte der Sanitäter und berührte das behaarte Gesichtchen. »Was hat denn das
für eine Krankheit? Das sieht ja aus wie …« Er brach ab. »Im Bach war es?«, fragte
er.
    Valerie
nickte.
    Er prüfte,
ob es atmete, suchte nach seinem Puls und den Herztönen. »Ein Unfall«, meinte er
nachdenklich. »Oder eine Kindstötung.«
    Valerie
fing einen Blick von ihm auf und wusste, was er dachte.
    »Es ist
noch sehr klein«, sagte der zweite Polizist, »drei, vier Monate.« Er hatte selbst
drei Kinder. »Aber es ist kein Neugeborenes, es wurde nicht nach der Geburt ausgesetzt.
Man kann sicher herausfinden, wem es gehört.«
    »Vielleicht
wird es vermisst«, meinte Valerie hilflos. Der junge Beamte zuckte die Schultern.
»Irgendwer wird sicher wissen, dass es nicht mehr dort ist, wo es sein sollte. Jedenfalls
ist es nicht selber in den Bach gekrochen.«
    Plötzlich
kamen Valerie die Tränen. »Müssen Sie so herzlos sein?«, fuhr sie den Polizisten
an.
    »Ich?«,
gab er zurück. »Ich habe es nicht weggeworfen. Jedenfalls muss es in die Rechtsmedizin.«
Er griff zum Handy.
     
    Adrian Dürst sah auf den ersten
Blick, dass das der Mann sein musste, der vor zehn Minuten angerufen hatte. Er parkte
sein Auto vor der Regionalwache quer über zwei Parkplätze, sprang aus dem Wagen
und eilte auf das Gebäude zu, ohne das Auto abzuschließen. Dann stand er vor ihm,
bleich, Schweißtropfen auf der Stirn. »Attinger«, sagte er, »unser Baby –«
    Dürst bat
ihn ins Anzeigenzimmer, einen kleinen, nüchtern
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