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Katakomben (Van den Berg) (German Edition)

Katakomben (Van den Berg) (German Edition)

Titel: Katakomben (Van den Berg) (German Edition)
Autoren: Mark Prayon
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speiübel, er kotzte die Reste, die er noch im Magen hatte, neben die Pforte.
    Keine Menschenseele verlor sich auf dem Boulevard de Berlaimont, der direkt an der Kathedrale vorbeiführte. Der patschnasse Alte ging langsam die Stufen herunter. Er vernahm den Dieselmotor eines Autos, das sich mit zügiger Geschwindigkeit näherte. Es war ein Taxi, das in Richtung De Brouckére unterwegs war. Der Clochard sprang auf die Straße, ruderte wild mit den Armen und stellte sich dem heranbrausenden Fahrzeug beschwörend in den Weg. Der Fahrer stieg kräftig in die Eisen und stoppte wenige Zentimeter vor den zittrigen Knien des Hilfesuchenden. Der Chauffeur, ein fast kahler Türke in den Dreißigern, riss die Türe auf und trat auf den nassen Asphalt. Der Fahrer brüllte die traurige Gestalt an, schrie etwas von irre und bescheuert. Der Penner deutete wortlos zur Kirche.
    Van den Berg zuckte kurz zusammen, als sein Handy schellte - jetzt wurde ihm klar, wie übernächtigt er war. Am Klingelton erkannte er, dass der Anruf aus dem Präsidium kam. Wenn die Kollegen dran waren, warnte ihn die Titelmelodie der „Bourne“-Reihe, bei allen anderen Anrufern erklang ein beruhigender altmodischer Ring-Ring.
      Eric Deflandre war dran. „Was gibt’s denn?“, fragte van den Berg gereizt. „Ein totes Mädchen“, antwortete der junge Polizist gehetzt. „Na, klasse!“ Van den Berg sparte sich langes Nachfragen und beeilte sich. Im Bad bearbeitete er seinen kräftigen Schopf mit einem Spezialwachs, das dafür garantierte, dass seine Haare ein wenig abstanden. Er zog ein eng sitzendes schwarzes T-Shirt aus dem Schrank und nahm eine dazu passende Lederjacke vom Sofa, die einen leichten Biker-Touch hatte. Keine fünf Minuten später saß der Polizist in seinem MG Cabrio, Typ MGB, Baujahr 84, und raste die Rue de la Loi hinauf zur Kathedrale St. Michel.
    Zur gleichen Zeit bahnte sich ein schwarzer BMW den Weg durch den Wald. Andere hätten Mühe gehabt, das Anwesen zu entdecken, uralte Eichen und Tannen reichten dicht an die imposante Villa heran. Die schmalen kurvigen Wege waren schlecht asphaltiert und erschwerten die Orientierung, zumal sie immer nur ein Stück weit einzusehen waren. Der Fahrer, der sich in dieser Nacht auf das dunkle Haus zu bewegte, kannte die Strecke. Zielstrebig raste er den Weg bis zum Hauptportal des alten Bauwerks.
  Als der Mann aus seinem Fahrzeug stieg, wurde es hell. Selbst aus der Nähe waren die Konturen des Gebäudes nur schemenhaft zu erkennen, so dicht standen die Bäume. Der Besucher war Mitte 30 und wirkte gediegen in seinem dunkelgrauen Kaschmirmantel. Die schwere schmiedeeiserne Tür öffnete sich und fiel überraschend leise ins Schloss, nachdem der Besucher eingetreten war.
    „Sie werden erwartet, Monsieur Hugo“, sagte der kleine unscheinbare Mann, der im Entree gewartet hatte, mit ausgesuchter Höflichkeit.
    Hugo verzichtete darauf, seinen Mantel abzulegen und eilte am Butler vorbei die breite Holztreppe hinauf. Im ersten Stock befand sich ein weitläufiger Raum, der sich fast über die gesamte Etage erstreckte. An den Wänden hingen alte Ölbilder und Zeichnungen. Einige von ihnen zeigten Wappen, die auf Papier oder Stoff geprägt waren. Im Raum standen schwere Eichenmöbel und herrschaftliche alte Sofas. In der Mitte des ovalen Zimmers wartete ein Mann, der Anfang 60 war. Er machte ein paar Schritte auf den Besucher zu. „Es gibt ein Problem“, sagte Hugo. Dabei wanderten seine Augen unruhig hin und her. Er bemerkte sofort, dass sich der Blick des anderen verfinsterte.
    Van den Berg nahm seine coole schwarze Beanie vom Beifahrersitz, zog sie über sein Haar und trabte den kurzen Weg zur Kathedrale. Es regnete noch immer. Deflandre kniete völlig durchnässt bei dem toten Mädchen.
    Van den Berg beugte sich zu der Leiche herunter. Sein Blick fiel auf das Nachthemd, das die grazile Figur des Mädchens betonte. „Ein schönes Mädchen“, flüsterte er wie in Trance. Der Kommissar wandte seinen Blick von der Toten ab und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Ein Sexualverbrechen, soviel war wohl klar. „Der Penner da drüben hat sie gefunden“, unterbrach ihn Deflandre und deutete auf den Clochard, der zerstreut in seinen Plastiktüten kramte.
  Van den Berg hatte in seiner Polizeilaufbahn schon viele Leichen gesehen, die meisten ließen ihn kalt. Aber dieses tote Mädchen hier rührte ihn von der ersten Sekunde an, so sehr, dass es ihm schwerfiel, klar zu denken. Der Anblick
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