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Kastner, Erich

Kastner, Erich

Titel: Kastner, Erich
Autoren: Die verschwundene Miniatur
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er. »Mein Bruder züchtet Tauben. Ich habe ihm gesagt, er soll das lassen. Ein Mensch, der Kälber totschlagen muß, sollte keine Tauben streicheln. Das ist geschmacklos. Aber er läßt es sich nicht ausreden.«
    »Kommen Sie, Herr Külz!« bat sie leise.
    Achtel und Storm schoben sich durch die Tischreihen. An der Balustrade stieß der Kleine den andern mit dem Ellenbogen an und trat zu dem Tisch, an dem Külz gesessen hatte.
    Er beugte sich über den Tisch und entnahm dem Streichholzständer ein Zündholz. Dann brannte er sich eine Zigarette an. Dann legte er das niedergebrannte Zündholz in den Aschenbecher.
    Achtel wartete ungeduldig. Auf der Straße fragte er ärgerlich:
    »Was war denn los?«
    Storm zog lächelnd eine Ansichtskarte hervor. »Mein Freund Külz hat das da auf dem Tisch liegenlassen.«
    Sie beugten sich über die Karte und lasen sie.
    Auf der Karte stand: ›Liebe Emilie! Entschuldige mein plötzliches Verschwinden. Ich erkläre es Dir, wenn ich wieder zu Hause bin. Habe eben eine Kundin von Otto getroffen. So ein Zufall, was?
    Na ja, wenn Gott will, schießt ein Besen. Macht Euch wegen mir keine Sorge. Unkraut verdirbt nicht. – Herzlichst Dein Oskar.‹
    Und unter dieser ungelenken Handschrift stand in schlanken, flotten Buchstaben: ›unbekannterweise grüßt Irene Trübner.‹
    Die beiden Herren sahen einander unschlüssig an.
    »Hat der Kerl die Karte aus Versehen liegenlassen?« fragte Storm.
    »Blödsinn!« sagte Achtel. »Schau dir doch den Text an! Dieser Tiroler ist ein ganz ausgekochter Junge. Er hat ’ne Kundin von Otto getroffen! Das ist natürlich eine Anspielung. Erst mimt er den Dummen. Und dann macht er sich mit Hilfe einer Ansichtskarte über uns lustig. Eine unglaubliche Frechheit!«
    Herrn Storms zu weit oben angebrachte Ohren, die von der Hutkrempe herabgedrückt und rechtwinklig abgebogen wurden, sahen aus, als wollten sie sich sträuben.
    »Wenn Gott will, schießt ein Besen«, wiederholte Philipp Achtel böse. »Und da kommt Karsten.«
    Sie begrüßten ihren Kollegen und schritten in gemessenem Abstand hinter Fräulein Trübner und Herrn Külz her. Storm zerriß die an Frau Emilie Külz in Berlin adressierte Kopenhagener Hafenansicht in viele kleine Stücke und streute sie aufs Pflaster.
    Die junge Dame und Fleischermeister Oskar Külz hatten keine Ahnung, daß ihnen drei Männer folgten, die sich außerordentlich für sie interessierten.
    Den drei Männern folgte, wieder in gemessenem Abstand, ein großer, junger Mann.
    Die drei Männer hatten keine Ahnung, daß auch ihnen jemand folgte, der sich außerordentlich für sie interessierte.
    Wie das Leben so spielt!

3. KAPITEL
    VON KUNST IST DIE REDE
    »Die Sache ist die«, begann Fräulein Trübner. Sie saßen in einem Hof der Amalienborg auf einer Bank. Zwischen den Steinplatten vor den ehrwürdig freundlichen Fassaden der Schloßgebäude im Gras.
    Im Hafen drüben tuteten Dampfer, die in den Sund gelotst wurden.
    Sonst war es still.
    Eine hohe alte Mauer trennte den Schloßhof von der Straße drau
    ßen. Nur in der Mitte war die Mauer unterbrochen. An dieser Stelle befand sich ein mächtiges eisengeschmiedetes Gittertor, das gewiß seit Jahrzehnten nicht mehr geöffnet worden war. Wer die Straße entlang kam, der konnte hier stehenbleiben und zwischen kunstvoll verrankten eisernen Ornamenten, Figürchen und Rosetten hindurch in den altertümlichen Hof blicken.
    So, wie gerade jetzt ein gewisser Herr Karsten!
    Zwei gute Bekannte von ihm gingen auf der andern Seite der Straße langsam auf und ab. Sie sprachen wenig und warteten auf ihn.
    Fräulein Trübner und Herr Külz hatten keine Ahnung, daß man sie beobachtete. Sie kehrten der Straße den Rücken und betrachteten die Fenster und Tore des Schlosses.
    »Die Sache ist die«, sagte das Fräulein. »Ich bin bei einem reichen und in der ganzen Welt anerkannten Kunstsammler, der in Berlin wohnt und Steinhövel heißt, Privatsekretärin. Vorige Woche war nun in Kopenhagen die Versteigerung einer der größten Sammlungen, die es gibt. Die Sammlung gehörte ursprünglich einem Amerikaner, der seinen Lebensabend in Dänemark verbrachte und kürzlich gestorben ist. Wissen Sie, was eine Kunstauktion ist?«
    »Nicht direkt«, sagte Külz. »Aber es wird dabei wohl genauso zugehen wie auf andren Versteigerungen. Es wird dauernd gebrüllt und mit dem Hammer geklopft. Und bei wem dreimal geklopft worden ist, der muß den Kitt behalten.«
    Sie nickte. »Herr Steinhövel sammelt vor
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