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Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten
Autoren: M Grimes
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glaube, den Ausdruck ›aussichtsloser Fall‹ kennt der gar nicht. Der gibt nie auf.«
    »Ein Bulle ganz nach meinem Geschmack.«
    »Ich werde ihm ausrichten, dass Sie das gesagt haben.«
     
    »Angel Gate«, sagte Brian Macalvie am Telefon zu Jury. »So heißt das Anwesen. Sie wurde dort im Garten gefunden.« Er sprach vom Opfer, von der Toten, die man auf einer Steinbank in einer steinernen Nische entdeckt hatte.
    Für Jury hatte der Name – Angel Gate, Engelstor – einen geradezu mythischen Klang. Tore aus Elfenbein, Tore aus Horn.
    »Wir wissen nicht, wer sie ist. Sie wurde mit einer.22er-Halbautomatik erschossen. In den Brustkorb. Die Waffe haben wir nicht gefunden. Die liegt inzwischen vermutlich tief unten auf dem Grunde des Ex.«
    Jury machte aus dem Telefonkabel eine kleine Schlinge. Eine.22er. Das kleine Mädchen in der Hester Street war mit einer.22er erschossen worden. Das musste nun nicht unbedingt etwas heißen. Er saß in seiner Wohnung in dem einzigen bequemen Sessel vor dem Bücherregal und ging noch einmal den Obduktionsbericht durch, dazu die Ergebnisse der Haus-zu-Haus-Befragung in der Hester Street. »Gibt es denn gar keine Spur?«
    »Nein. Wir checken gerade ihre Fingerabdrücke durch. Die DNA nützt uns natürlich auch bloß was, wenn wir sie mit irgendwas vergleichen können.« Er klang ungeduldig. »Declan Scott hat diese Frau übrigens einmal in Begleitung seiner Gattin gesehen, und zwar in Brown’s Hotel in Mayfair. Von der Köchin in Angel Gate wurde sie ebenfalls gesehen. Das ist aber schon fast drei Jahre her.«
    Jury sagte: »Na, dann kann die Identifizierung der Leiche doch nicht so schwierig sein.«
    »Von wegen, Jury. Scott hat keine Ahnung, wieso sie mit seiner Frau dort war. Die Köchin – die inzwischen nicht mehr dort arbeitet – hat ebenfalls keine Ahnung, wer es ist. Sie erinnert sich lediglich daran, dass diese Frau Mary Scott sprechen wollte. Aber weder die Köchin noch Declan Scott können sie identifizieren. Bei Brown’s erkennt auch keiner das Gesicht wieder.« Macalvie schwieg einen Augenblick. »Bei diesem Fall ist Ihre chronische Melancholie gefragt, Jury.«
    Jury hielt den Hörer vom Ohr weg, sah ihn fragend an und hielt ihn wieder hin. »Wovon zum Teufel reden Sie?«
    »Von Declan Scott.«
    »Weiter.«
    Macalvie druckste eine Weile herum. »Länger als eine Viertelstunde ist Scott schwer auszuhalten. Ist Ihnen so jemand schon mal begegnet?«
    Jury griff hinter sich und zog einen Band mit Gedichten von Emily Dickinson aus dem Regal. Er überlegte einen Augenblick, während er das Vorwort des Dickinson-Bandes durchblätterte. »Thomas Wentworth Higginson.«
    »Wer zum Teufel ist das?«
    »Emily Dickinsons Adlatus, so könnte man ihn vielleicht nennen. Ihr literarischer Kritiker, Lektor, Herausgeber – was auch immer. Na, jedenfalls hat der sich genau so über sie geäußert: Er halte es kaum länger als eine Viertelstunde im selben Zimmer mit ihr aus. So intensiv sei sie, so emotionshungrig, dass sie ihn damit überwältigte. Eigentlich kein Wunder, wenn man sich ihre Gedichte ansieht. Was ist nun mit Declan Scott?«
    »Das kleine Mädchen, Flora hieß sie, war eigentlich gar nicht seine Tochter, aber das würde man nie merken, wenn man ihn über sie reden hört. Über alle beide. Die Ehefrau ist ein halbes Jahr nach dem Verschwinden des Kindes gestorben.«
    Ein doppelter Schicksalsschlag. »Wie ist sie denn gestorben?«
    »Offenbar hatte sie was mit dem Herzen. Scott fand sie im Garten. Ein Garten inmitten eines Gartens, so eine Art Geheimgarten. Sie wissen schon.«
    »Nein, ich hatte noch nie so einen. Ist das da, wo Sie heute früh die Leiche gefunden haben?«
    »In einem anderen Teil des Gartens, weiter unten.«
    »Trotzdem. Ein Zufall?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wen gibt es da sonst noch? Im Haus?«
    »Die einzige andere Vollzeitkraft ist die Haushälterin. Eine gewisse Rebecca Owen, Köchin und Wirtschafterin, aber nicht einmal die wohnt dort. Er lebt allein. Zwischen ihm und der Toten, behauptet er, gibt es überhaupt kaum eine Verbindung. Er kannte sie eigentlich gar nicht.«
    »›Kaum‹ und ›eigentlich‹ erscheinen mir hier als Schlüsselbegriffe. Eine gewisse Verbindung gab es aber, nicht?«
    »Ich sagte Ihnen doch, Scott hatte sie einmal gesehen, beim Tee mit seiner Frau Mary. Die stellte sie damals als eine alte Schulfreundin vor. Von der Roedean School.«
    »Und natürlich war die Tote keine alte Schulfreundin, denn dann hätte die Roedean School
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