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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Knöchelchen und versuchte, das Geräusch zu übertönen. Ihr hysterisch heiserer Redefluss wurde durch Professor Ullrichs schneidende Stimme unterbrochen: «Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage!»
    Frau Dr.Schumann stöhnte und sah den Professor flehend an. Richard Schneider schaute auf, tat, als hätte er nicht verstanden. «Wie?»
    Professor Ullrich ließ das Taschentuch los. Es kräuselte sich gegen die Drehung wie eine Schlange, die sich in dem Daumen festgebissen hatte. Bevor es auf den Boden fallen konnte, knüllte er es zusammen und steckte es ein. Dabei sah er Viviens Vater unverwandt in die Augen. Es war wie ein Duell. Wer zuerst wegguckte, hatte verloren.
    «Wie lange haben Sie sich nicht um Vivien gekümmert? Ein Jahr? Zwei Jahre? Drei?» Professor Ullrich wusste es genau. Er hatte jeden Tag gezählt; es waren 992.
    Schneider antwortete: «Ja. Ja, Sie haben Recht. Es waren fast drei Jahre. Aber es hat sich viel geändert. Ich habe mich gefangen. Ich …»
    «Herr Schneider hat eine Therapie gemacht…», warf Frau Dr.Schumann ein. Unter ihrem Mieder begann die Haut zu jucken. Sie hätte sich gern gekratzt oder, besser noch, heiß geduscht.
    Professor Ullrich nickte Schneider höhnisch zu. «Wie schön für Sie. Herzlichen Glückwunsch.»
    « … hat wieder geheiratet und …»
    «Und jetzt fehlt ihm zum Familienglück nur noch ein Kind, was?»
    «Ich bin ihr Vater», stellte Richard Schneider fest, als hätte das irgendjemand bezweifelt. Er hielt dem Blick nicht länger stand.
    Mit einer so schnellen Kapitulation hatte Professor Ullrich gar nicht gerechnet. Er setzte sofort nach: «Ich muss Ihnen zugute halten, dass Sie keine Ahnung haben. Vivien ist in einer psychisch äußerst labilen Situation. Das schöne Familienwochenende könnte anders verlaufen, als Sie es planen. Vielleicht isst sie mit Ihnen zu Abend. Scherzt, lacht - und dann verändert sich plötzlich ihr Blick.» Professor Ullrich machte es vor und Schneider wich unwillkürlich zurück. «Sie denken, dass sie sich ängstigt oder über etwas ärgert - aber sie hält Sie für einen Hillruc. Sie schreit Sie an, Sie sollen sie nicht anfassen. Dann nimmt sie das Brotmesser vom Tisch und sticht auf Sie ein, bis Sie sich nicht mehr bewegen.»
    In der geschlossenen Abteilung brüllte ein Verzweifelter. Der weit entfernte Schrei drang durch die Scheiben in den stillen Verwaltungstrakt. Es klang unwirklich.
    Mit belegter Stimme fragte Richard Schneider: «Was ist ein Hillruc?»
    Professor Ullrich wandte sich ab und machte eine wegwerfende Geste. Seine Miene sagte: Das kapieren Sie sowieso nicht, doch er erklärte: «Eine Art Teufel.»
    Schneider fingerte die letzte Zigarette aus seiner Packung und faltete die leere Schachtel zusammen wie ein gebügeltes Hemd. In diesem Raum war das Rauchen nicht gestattet. Zwei Schilder wiesen darauf hin, aber Frau Dr.Sabrina Schumann sah jetzt darüber hinweg.
    «Was Vivien braucht», erklärte Professor Ullrich mit einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, «ist die Stabilität einer kontinuierlichen Beziehung. Das ist für sie so etwas wie eine Rettungsboje auf hoher See. Wenn sie aus dem Dunkel auftaucht, muss jemand da sein. Immer. Diese Sicherheit haben wir ihr in den letzten Jahren gegeben. Heute hü, morgen hott und übermorgen Mal-gucken-wieich-so-drauf-bin - das ist schon für normale Kinder schlecht, für Vivien aber ist es unerträglich! Sie hat Sie vergessen. Zumindest versucht sie es. Ihr plötzliches Auftauchen könnte sie in eine Krise stürzen. Das können Sie doch nicht wollen.»
    Auf dem Weg hierher hatte Schneider noch genau gewusst, was er sagen wollte. Er hatte sich die Worte zurechtgelegt, sie mit Ulla besprochen. Er hatte sich vorgestellt, wie er den Professor unter Druck setzte, und sich eingebildet, denen in der Klinik würde der Angstschweiß ausbrechen.
    Doch nun würgte es ihn. Er bekam keinen vernünftigen Satz heraus. Der Professor strahlte etwas aus, das ihn in Wut stürzte. In ohnmächtige Wut. Er fühlte sich chancenlos, in maßloser Ungerechtigkeit gefangen. Vor der Therapie hatte er in solchen Situationen angefangen, um sich zu schlagen. Den Impuls wehzutun spürte er immer noch, aber er konnte ihn beherrschen. Er musste nicht die Augen schließen, um sich vorzustellen, auf dem Brustkorb von Professor Ullrich zu knien und ihn zu erwürgen. Das Bild gefiel ihm. Damit fühlte er sich besser, die Worte fielen ihm wieder ein. Er musste den Professor nicht schlagen
    «Glauben
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