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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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durch den Garten.
    Schwester Inge beobachtete ihn. Sie stieß Marga Vollmers, die dicke Putzfrau, an. Sie nickten einander zu. Der hatte sie nicht alle, das war sonnenklar. Inge regte sich noch auf über ihn, für Marga stand längst fest, dass er sein Büro bald gegen ein Zimmer in der Geschlossenen eintauschen würde, wenn er so weitermachte.
    Peter Ullrich war ein kleiner, drahtiger Mann. Hinter seinem Schreibtisch wirkte er feingliedrig und vergeistigt. Gar nicht wie Mitte fünfzig, eher wie jemand, der ohne ersichtlichen Grund aufgehört hat zu altern. Er konnte zwischen fünfunddreißig und sechzig sein. Wie er jetzt mit vorgerecktem Kopf über die Wiese jagte, hatte er nichts Akademisches mehr an sich. Er trug das Hemd offen über der Hose. Nur die letzten Knöpfe waren geschlossen. Er trug Hemden wie andere Menschen Kittel. So lief er im Sommer wie im Winter herum. Er fror nie. Krawatten waren ihm ein Gräuel. Er fühlte sich schon, als sollte er erdrosselt werden, wenn er auf Wunsch der Klinikleitung bei einer Fachkonferenz nur den obersten Knopf am Hemd schließen musste.
    Vor der Tür zum Verwaltungsgebäude stoppte er abrupt und walkte sein Gesicht. Die Bartstoppeln erinnerten ihn daran, dass er letzte Nacht nicht zu Hause verbracht, sondern über Viviens Aufzeichnungen gesessen hatte. Ein Ruck ging durch seinen Körper. Er machte sich gerade und versuchte zu lächeln. Dann erst trat er ein.
    Die Verwaltungsdirektorin begrüßte er mit einem kurzen Nicken. Sie federte von ihrem Stuhl hoch, überprüfte mit einem raschen Blick in den Spiegel den Sitz ihrer neuen Frisur und strich den knapp sitzenden Rock ihres hellgrauen Kostüms glatt. Eigentlich hatte sie Größe 42. Doch sie versuchte, sich in 38 hineinzuhungern. Der Rock hatte 40 und saß spack. Seit Professor Ullrich ihr einmal ein Kompliment über ihre Beine gemacht hatte, war sie nie wieder im Hosenanzug in die Klinik gegangen. Sie trug nur noch Röcke oder Kleider und trainierte ihre Beine auf dem Fahrrad.
    Der Professor bemerkte nicht einmal, dass die grauen Strähnchen frisch getönt waren. Er taxierte Viviens Vater.
    Richard Schneider hatte einen vorstehenden, kantigen Unterkiefer. Professor Ullrich dachte sofort an den Gebrauch von Steroiden. Allerdings passte der Rest des Körpers nicht dazu. Er wirkte durchaus muskulös, aber keineswegs aufgebläht.
    Schneider hatte blassblaue, leicht getrübte Augen, und den misstrauischen Blick kannte Professor Ullrich von Vivien. Der ganze Mann strahlte etwas Gehetztes aus. Sein Anzug war leicht zerknittert. Er trug sein Handy am Gürtel wie eine schussbereite Waffe. Sein Händedruck war lasch. Kraftlos hielt er die Hand hin wie ein totes, feuchtes Stück Fleisch. Professor Ullrich packte extra energisch zu; Schneider sollte gleich merken, mit wem er es zu tun hatte. Der Mann war aufgewühlt und unsicher. Eine explosive Mischung aus Tatendrang und schlechtem Gewissen. Als Professor Ullrich seine Hand zurückzog, glaubte er das Nikotin zu spüren, das zwischen Schneiders Zeige- und Mittelfinger die Haut gelb gefärbt hatte. Er holte sein Stofftaschentuch hervor und wischte sich die Finger ab.
    Frau Dr.Sabrina Schumann straffte sich - Brust raus, Bauch rein -, warf die Haare zurück und versuchte zu vermitteln, bevor der Streit begann. «Herr Schneider möchte seine Tochter sehen und, wenn es geht, übers Wochenende mit nach Hause nehmen.» Sie versuchte ein verbindliches Lächeln. Keiner der Männer reagierte darauf, so künstlich wirkte es. Sie fuhr fort, als könne sie mit ihrem Redefluss die drohende Katastrophe aufhalten: «Herr Schneider ist in unsere Nähe gezogen, damit er den Kontakt zu Vivien in Zukunft besser halten kann. Wie wir alle wissen, war er in der letzten Zeit beruflich und familiär in einer angespannten Lage und konnte sich leider nicht so intensiv um seine Tochter kümmern, wie es aus therapeutischer Sicht vielleicht nötig gewesen wäre.»
    Richard Schneider kaute schuldbewusst auf der Unterlippe und starrte seine Schuhspitzen an. Das Leder war brüchig und hatte ein paar feine Risse, die ihm jetzt erst auffielen. Die Schuhe waren nicht schmutzig, sie sahen alt aus. Billig. Abgetragen. Die von Professor Ullrich waren weich, bequem, edel.
    Professor Ullrich drehte das Taschentuch zu einem Strick zusammen. Die Schlinge zog sich um seinen Daumen fest. Dr.Sabrina Schumann konnte den Blick nicht von dem geknebelten Daumen wenden. Sie hörte im Geiste schon das Knirschen gebrochener
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