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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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bringe ich den Professor nicht gleich um? Warum kraxele ich hier durch die Berge?
    Als sein Blick auf Vivien fiel, die in ihren groben Bergsteigerschuhen und der Daunenjacke vor ihm herstapfte, wusste er wieder, warum er so handelte und nicht anders. Nur vor ihr musste er geradestehen, nicht vor dem Rest der Welt. Sie durfte es nicht als Mord auffassen, sondern sie sollte sich gerettet fühlen von ihm. Erst wenn sie dem erlösenden Dolchstoß zustimmte, konnte er ihn ausführen.
    Was ist so toll an diesem Mädchen?, fragte er sich. Dass sie sich erst ziert und mir dann fast die Zunge rausreißt? Sie war launisch und absolut unberechenbar. Trotzdem spürte er genau, dass er sie wollte, wie er nie zuvor ein Mädchen gewollt hatte. Vor allen Dingen wollte er sie beschützen. Ihr Held sein. Wenn sie ihn toll fand, konnte er alles aushalten.
    Er spürte die Wirkung der alten Inkarnation. In dem Versuch zu begreifen, was mit ihm geschah, knüpfte sein Verstand ein loses Netz von Erklärungen. Tom war bereit anzunehmen, dass es frühere Leben gab und er mit dieser Vivien eine gemeinsame Geschichte hatte. Dass er sich deshalb viel stärker an sie gebunden fühlte als zum Beispiel an Julia oder irgendein anderes Mädchen, das er in diesem Leben zum ersten Mal getroffen hatte.
    Die Vorstellung gefiel ihm, und zugleich lehnte er sich dagegen auf. Er wollte keine Marionette an Fäden sein, deren Enden im Nebel der Jahrhunderte lagen. Aber er akzeptierte, dass er hier etwas zu Ende brachte, das vor langer, langer Zeit begonnen hatte.
    Vivien hörte den rasselnden Atem des Professors. Sie schaute sich nach Tom um. Etwas war mit seinem linken Bein. Trotzdem wirkte er viel sicherer und behänder als der Professor. Im Geiste ging sie alle Möglichkeiten durch. War sie als Lin die Mutter von einem der beiden gewesen? Würde einer von ihnen ihr Mörder sein? Oder würden sie gemeinsam gegen eine vierte Person kämpfen? Den Unbekannten? Toi?
    Auf eine zwar beängstigende, aber auch faszinierende Weise fühlte Vivien sich ausgezeichnet. Hervorgehoben. Gemeint. Sie war es, um die hier gekämpft wurde. Sie, die so lange auf dem Abstellgleis gesessen hatte und von den pubertären Vergnügungen der Gleichaltrigen ausgeschlossen gewesen war. Plötzlich stand sie im Mittelpunkt allen Geschehens. Irgendwie hatte sie das dem Professor zu verdanken. Und Thara und … jetzt hätte sie ihn wieder umarmen können. Sie erinnerte sich daran, in welch scharfem Ton er Schwester Inge zurechtgewiesen hatte, als die sich in der Nacht zweimal geweigert hatte, Vivien ein anderes Fernsehprogramm einzustellen.
    Ich muss herausfinden, wer er wirklich ist, dachte sie. Ich darf ihm nicht unrecht tun. Er ist mir wichtiger als mein Vater. Sie rief den Professor, und erst jetzt merkte sie, wie dünn die Luft geworden war. So piepsig hatte sie sich noch nie angehört. Der Professor drehte sich um, und sie fragte ihn direkt.
    Tom schloss sofort zu ihnen auf. Er wollte jedes Wort mitbekommen.
    «Warum», fragte Vivien, «musste die Nachtschwester alles so genau aufschreiben? Warum durfte ich nicht selbst zappen? Warum musste sie jedes Mal …»
    Professor Ullrich winkte ab, die ausführliche Fragerei dauerte ihm viel zu lange.
    «Du warst, liebe Vivien, immer Teil eines wissenschaftlichen Experiments. Um meine Aussagen über deine früheren Leben zu verifizieren, musste ich dem Vorwurf vorbeugen, du hättest alles nur aus dem Fernsehen, aus Büchern und so weiter. Deswegen gibt es ein lückenloses Protokoll von allen Fernsehminuten, die du in der Klinik gesehen hast.»
    «Wozu brauchtest du diese Beweise? Du kommst doch selbst von Thara, du weißt Bescheid.»
    «Erst du hast mich wirklich dahin geführt, Vivien. Ich habe an meinen eigenen Wahrnehmungen immer gezweifelt. Du weißt genau, meine Erinnerungen sind nicht so gut wie deine. Du hast ihnen immer auf die Sprünge geholfen.»
    «Kanntest du keine Congas?»
    «Doch, doch. Als du mir davon erzählt hast, ist mir alles wieder eingefallen.»
    Plötzlich schien Vivien alles ganz klar. Vielleicht war dies ihre Chance. Vielleicht konnte dieser Kampf abgeblasen werden. In ihrer Vorstellung spannte sie den Bogen der Wahrheit und schoss dann den Pfeil genau auf den Professor ab: «Kann es nicht sein, dass nur deine Fantasie mit dir durchgegangen ist? Ich hab dir was erzählt, und irgendwann hast du gemeint, dich zu erinnern. Gibt es auch von deinen Fernsehprogrammen lückenlose Aufzeichnungen? Wenn deine Erinnerungen
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