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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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erst nach meinen kamen, Peter, wer sagt dann, dass es wirklich Erinnerungen sind?»
    Tom mischte sich ein. «Er hat gerade einem Polizisten das Herz rausgerissen. Nennst du das ein bisschen zu viel Fantasie haben? Warum bin ich hierher gekommen? Woher wusste ich, wo du bist? Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass das ein Zufall war? Ich hab mal meine Lieblingsjeans verlegt und zu Hause nicht wiedergefunden. Ich hab gesucht wie ein Blöder …»
    Vivien und der Professor sahen ihn an, als wäre er nun restlos übergeschnappt.
    Tom fand nicht, dass das Beispiel so sehr an den Haaren herbeigezogen war, wie sie anzunehmen schienen. «Dich zu finden war ein Kinderspiel dagegen, und die Jeans lagen bloß ganz unten in meinem Schrank, unter ein paar schmutzigen Hemden begraben …»
    Seine Stimme erstarb. Er schämte sich ein wenig. Wer bin ich, dachte er, dass ich mit einem Professor diskutieren will? Dass ich versuche, ihn in seinem Fach zu schlagen? Ausgerechnet ich!
    Vivien empfand das Gespräch als hilfreich. Sie fühlte sich gleich nicht mehr so verrückt, nicht so im Nebel, nicht so hilflos.
    Der Professor bestand darauf, dass sie weitergingen.
    Als sie die Schneegrenze erreichten, löste sich diese Welt für sie auf. Sie versanken ganz in ihrer Thara-Realität, jeder auf seine Weise.
    Sie sahen Fußstapfen und Blutstropfen. Ein schwerer Mensch, er war tief eingesunken. Er hatte große Schritte gemacht und dabei seinen Lebenssaft in roten Spritzern verteilt.
    Es irritierte den Professor, dass er seine Fingerspitzen trotz der dicken Fäustlinge kaum noch spürte. Er drückte sie in den Handschuhen gegeneinander, rieb sie an dem Futter aus Fell. Zu gern hätte er etwas geknetet, ertastet, Informationen aus einem Material erfühlt, doch er fürchtete, dass seine Finger im Moment nicht mehr wert waren als die eines x-beliebigen Menschen. Sie waren kalt, nicht völlig gefühllos, aber doch abgestumpft. Er bückte sich, streifte die Handschuhe ab, griff mit beiden Händen in den Schnee, hob etwas von dem gefrorenen Blut an seine Lippen und schnüffelte daran wie ein Hund, der eine Spur gewittert hat. Dann leckte er fast genüsslich darüber.
    «Eigenartige Methode, eine Blutgruppe zu bestimmen», scherzte Tom, der wieder tiefer atmen konnte. So hatte er es meistens gehalten. Wenn die Realität ihm besonders schlimm vorgekommen war, hatte er sich in seinen Galgenhumor gerettet. Witzchen gemacht. Ja, darin war er gut.
    Plötzlich sah er sich vor einem Erschießungskommando stehen. Es waren sechs. Sie legten auf ihn an. Jemand stülpte ihm einen Sack über den Kopf, aber das Leinen war so grob, dass er hindurchsehen konnte. Alle sechs Männer zielten auf ihn, und er rief: «Wenn ich das überlebe, Jungs, lade ich euch alle zum Essen ein!»
    Er wusste nicht, woher diese Bilder kamen, ob sie aus einem früheren Leben stammten, ob es sich um Erinnerungen an einen Film handelte oder um reine Fantasie. Jedenfalls machten sie ihm das Leben im Augenblick leichter.
    Ihm kam die Idee, die Szene als Witz zu erzählen. Wenn der Professor über meine Witze lacht, dachte er, wird er vertrauensseliger werden. Und damit wächst meine Chance, ihm den Dolch ins Herz zu bohren.
    «Er ist hier», sagte Ullrich dramatisch.
    «Wer?», fragten Vivien und Tom wie aus einem Mund.
    «Der Hillruc, der uns jagt.»
    «Toi?»
    «Ich habe keine Ahnung.» Der Professor runzelte die Stirn.
    Tom konnte er belügen, Vivien kannte ihn schon zu lange. «Du weißt genau, von wem die Spuren sind!»
    Der Professor zerbröselte das Eis zwischen den Fingern seiner Rechten, sodass das gefrorene Blut schmolz und in die Rillen seiner Fingerkuppen rann.
    Vivien beobachtete das und sagte: «Du kannst doch einen Pullover berühren und weißt, was der Träger drei Tage vorher gegessen hat. Ob er ein Magengeschwür kriegt oder kurz vor einem Blinddarmdurchbruch steht. Was musst du erst alles wissen, wenn du Blut zwischen die Finger kriegst?»
    Tom zuckte zusammen. Er glaubte Vivien aufs Wort. So sicher, wie sie darüber sprach, musste sie diese Fähigkeit des Professors aus eigenem Erleben kennen.
    «Wenn er so was kann, Vivien, muss er der Hillruc sein. Das ist doch wohl eindeutig. Ich kann das jedenfalls nicht. Ich bin ja auch nur Josch. Ein Bastard.»
    Der Professor verzog das Gesicht. «Es ist zu kalt. Meine Fingerspitzen werden unsensibel.»
    Vivien sah ihn zuerst. Er erinnerte sie an Jack Nicholson in Shining , an die Stelle, wo er versuchte, seine Familie mit dem
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