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Kardinalspoker

Kardinalspoker

Titel: Kardinalspoker
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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ihn galt das schwache Prinzip
Hoffnung. Mehr nicht. Und damit hatte er sich ergeben abgefunden.
    Und so genoss er jeden Schritt,
den er schlendern konnte; immerhin schon seit über einem Jahr, als die Krankheit
entdeckt und er in den vorzeitigen Ruhestand geschickt worden war.
    Im Tal beobachtete er Pfadfinder,
die ihren Jugendzeltplatz winterfest machten. Nicht mehr lange, und die kalte Jahreszeit
würde über die Eifel hereinbrechen, früher und schneller als im nördlich gelegenen
Aachen, zugleich länger und kälter.
    Warum es ihn ausgerechnet in diese
Abgeschiedenheit getrieben hatte, hatten die wenigsten verstanden. Aber er liebte
Huppenbroich, diesen 420-Seelen-Ort, in dem er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin
einen umgebauten Hühnerstall als Ferienwohnung besaß. Mit seiner Pensionierung war
diese komfortable Wohnung zu seinem Dauerwohnsitz geworden, derweil seine Partnerin
als selbstständige Apothekerin in Aachen arbeitete und lebte. Ihr Verhältnis beschrieb
er gerne als extensive Wochenendbeziehung mit zunehmender Tiefe.
    Böhnke staunte
über sich, als er ohne Atembeschwerden den steilen Anstieg nach Simmerath bewältigt
hatte und er leichtfüßig den Eingangsbereich des Krankenhauses betrat. Vor sich
hin pfeifend, wartete er, bis er am Empfang endlich an der Reihe war. Er wunderte
sich immer wieder, wie ungeduldig die Menschen darauf warteten, endlich an dem Schalter
abgefertigt zu werden. In der Mehrzahl waren es doch Kranke, die ohnehin viel Zeit
mitbringen mussten, oder Besucher, bei denen es auf eine Minute mehr oder weniger
auch nicht ankam. Obwohl, wenn er ehrlich zu sich war, hatte auch er nicht die Geduld
gepachtet.
    Er möge gerne die Nummer des Zimmers
erfahren, in dem Walter Lipperich untergebracht sei, bat er höflich die junge Frau
im Rollstuhl hinter dem Tresen.
    Mit einer verkümmerten Hand tippte
sie den Namen des Patienten in eine Tastatur. Nach einem Blick auf den Monitor schüttelte
sie den Kopf.
    »Lipperich, Walter? Den haben wir
hier nicht. Da müssen Sie sich im Namen irren.«
    Könne nicht sein, widersprach Böhnke.
Er selbst habe gestern den Notarzt alarmiert, der Lipperich in das Krankenhaus eingewiesen
habe.
    »Also Notaufnahme?«
    So sei es wohl, bestätigte Böhnke.
    Nunmehr griff die Frau zum Telefon,
wählte, redete in den Hörer, fragte nach Lipperich und legte nach einem »Okay« wieder
auf.
    Entschuldigend sah sie den Pensionär
an. »Da haben Sie Pech. Lipperich ist heute am frühen Morgen auf eigene Verantwortung
entlassen worden. Sein Sohn hat ihn abgeholt.«
     
    Damit war für Böhnke die Angelegenheit erledigt. Er wollte sich nicht
über den gescheiterten Besuch ärgern. War es etwa sein Problem, wenn sich Lipperich
aus dem Staub machen wollte? Sicherlich nicht, auch wenn er sich ein wenig wunderte.
Angeblich war der Sohn, so hatte Lipperich gesagt, nach dem Tod von Kardinal verschwunden.
Und jetzt hatte er seinen Vater aus dem Krankenhaus geholt. Aber das war nicht Böhnkes
Sache.
    Er wandte sich seinen Einkäufen
zu. Bäcker, Metzger, Obstabteilung im Supermarkt, das waren die Stationen, die er
anlaufen musste, um die Lebensmittel fürs Wochenende zu erstehen. Wenn Lieselotte
am Abend kam, wollte er keine Zeit mehr mit Einkäufen verplempern. Die wenigen Stunden
bis Montagmorgen wollten sie gemeinsam und sinnvoll verbringen.
    Sein Blick fiel auf den Zeitungsständer
vor der Buchhandlung an der Hauptstraße und blieb an einer Schlagzeile der Kölner
Boulevardzeitung Blitz hängen.
    ›Der Kardinal ist verschwunden!‹,
titelte das Blatt in großen, schwarzen Lettern. Größer hätten die Buchstaben auch
nicht sein können bei der Abwahl eines Kanzlers oder dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft.
An der oberen Ecke der Aufschlagseite fand Böhnke eine kleine, weiß gehaltene Überschrift:
›FC-Fan stirbt am Tivoli‹. Ob beide Überschriften etwas miteinander zu tun hatten,
war für Böhnke nicht erkennbar. Neben dem Kölner Blitz befand sich in dem Zeitungsständer
der Kölner Stadtanzeiger. Böhnke hatte sich längst abgewöhnt, darüber zu grübeln,
warum in Simmerath Tageszeitungen aus Köln verkauft wurden. Immerhin lag der Ort
nicht nur im Kreis Aachen, sondern auch im Einzugsgebiet der Großstadt und damit
im Bereich der Aachener Zeitung und der Aachener Nachrichten. Aber wahrscheinlich
hing dies mit den vielen Zweitwohnungsbesitzern zusammen, die am Wochenende vom
Rhein zu ihren Ferienwohnungen in die Nordeifel und an den Rursee kamen.
     
    Auf der
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